Im Sommerinterview hat Oberbürgermeister Fritz Kuhn klare Worte gefunden zur autofreien City und der Verkehrsproblematik. Und was denken die Fraktionen im Gemeinderat darüber. Wir haben nachgefragt.

Stuttgart - Die Aussagen des Oberbürgermeisters Fritz Kuhn (Grüne) im Sommerinterview mit dieser Zeitung sind auf ein unterschiedliches Echo gestoßen. Vor allem die Aussage Kuhns, es sei „quasi eine patriotische Pflicht, dass derjenige, der einen Zweitwagen kauft, sich für ein Elektroauto entscheidet“, löste harsche Kritik aus. „Das geht gar nicht“, sagte CDU-Fraktionschef Alexander Kotz, zumal Kuhn als Sprachwissenschaftler ansonsten in seinen gelungenen Ansprachen die Worte zu wägen wisse. Viele Familien, die einen Zweitwagen benötigten, könnten sich schlicht ein Auto mit elektrischem Antrieb nicht leisten, meinte Kotz und fragte sich: „Sind das jetzt keine Patrioten?“

 

SPD fordert Kampf für Arbeitsplätze

Auch SPD-Fraktionschef Martin Körner reagierte mit Unverständnis: „Mit Appellen an den Patriotismus à la Trumps ‚America first‘ werden wir die Arbeitsplätze in der Autoindustrie nicht halten können, und die Luft in Stuttgart wird dadurch auch nicht sauberer.“ Es wäre besser, wenn sich der OB zusammen mit der IG Metall für den Erhalt der Arbeitsplätze in Stuttgart einsetzen würde, so Körner.

Für Hannes Rockenbauch von SÖS/Linke-plus zielt der Appell des OB – abseits der aus seiner Sicht „völlig misslungenen Wortwahl“ – ohnehin in die falsche Richtung. Zweitautos, so der Fraktionschef, seien ein Luxusproblem, ihre Umrüstung habe kaum Umweltschutzeffekte. „Die Verkehrsprobleme Stuttgarts lassen sich mit anderen Zweitautos nicht lösen“, sagte Rockenbauch. Der OB mache schöne Worte, es folgten aber keine Taten, um die Verkehrs-, aber auch die Wohnungsprobleme anzugehen. „Kuhn ist ein Erfüllungsgehilfe des Weiter-so“, sagte Rockenbauch, er reagiere nur auf Vorstöße des Gemeinderats.

CDU vermisst Initiativen

Auch Kotz vermisst, dass der OB keine neue Initiativen angekündigt habe. Er sei verärgert, dass der OB weiterhin den Nordostring und die Filderauffahrt ablehne, obwohl klar sei, dass Stuttgart den Durchgangsverkehr reduzieren müsse. „Und es ist anmaßend, dass er besser als der Handel selbst wissen will, was für den Handel gut ist.“ Die Stuttgarter FDP-Landtagsabgeordnete Gabriele Reich-Gutjahr sagte, der OB „sollte nicht die Bürger, sondern sich selbst an die patriotische Pflicht erinnern, die Stadt erfolgreich zu gestalten“.

Aber es gab auch positive Reaktionen. „Der OB pocht auf die Dinge, die die Stadt bewegen“, sagte der Grünen-Fraktionschef Andreas Winter. Dazu gehöre auch, dass sich die Bürger bei Kaufentscheidungen überlegten, „was kann ich für die Stadt tun“ – etwa mit einem Elektroauto. Die Aussagen Kuhns zur Zukunft des Marktplatzes und zu mehr Sauberkeit deckten sich mit den Ansichten der SPD, sagte Fraktionsvize Hans J. Pfeifer. Ansonsten hätte er sich ein Bekenntnis zu mehr Wohnungsbau und einen besseren ÖPNV gewünscht. Es sei „vernünftig“, für Elektroautos als Zweitwagen zu werben. Mit seinem Appell rennt Kuhn bei Familie Pfeifer offene Türen ein: „Wir haben schon entschieden, dass ein neuer Zweitwagen elektrisch wird.“