Das Oberverwaltungsgericht in Lüneburg hat festgestellt, dass das Wildtierverbot in Niedersachsen rechtswidrig ist. Für Stuttgart ergeben sich wohl keine Konsequenzen daraus.

Architektur/Bauen/Wohnen: Andrea Jenewein (anj)

Stuttgart - Vielen Kommunen sind Gastspiele von Zirkusunternehmen, die mit Wildtieren anreisen, ein Dorn im Auge. Oft wird den Betrieben dort kein Platz zur Verfügung gestellt. Auch in Stuttgart werden Wildtiere von April 2019 an nicht mehr in Zirkusvorstellungen zu sehen sein: Der Gemeinderat hat beschlossen, dass der Wasen dann nicht mehr an Zirkusse mit Wildtieren vermietet wird. Auf den anderen städtischen Flächen der Landeshauptstadt dürfen sie bereits seit 2011 nicht mehr gastieren.

 

Das niedersächsische Oberverwaltungsgericht in Lüneburg hat nun festgestellt, dass das Wildtierverbot rechtswidrig ist – zumindest in Niedersachsen. Im konkreten Fall war die Stadt Hameln, die ein Zirkus-Gastspiel verhindern wollte, mit ihrer Beschwerde endgültig gescheitert. Das Aktionsbündnis „Tiere gehören zum Circus“ sieht sich nicht nur „bestätigt“, sondern erklärt, dass der Entscheidung „eine überregionale Bedeutung als Präzedenzfall“ zukomme. Kann der Beschluss Konsequenzen für Stuttgart haben?

Wildtierverbot in Hameln ist rechtswidrig

Richterin Michaela Obelode vom Verwaltungsgericht in Lüneburg erläutert zunächst einmal den Fall in Hameln: Ein deutsches Zirkusunternehmen hatte bei der Stadt Hameln beantragt, Anfang April für vier Tage einen städtischen Platz für ein Gastspiel nutzen zu können, bei dem auch Zebras, Lamas und Kängurus gezeigt werden sollen. Diesen Antrag lehnte die Stadt Hameln ab, weil der Rat der Stadt im Juni 2016 beschlossen hatte, dass kommunale Flächen nur noch für Zirkusbetriebe zur Verfügung gestellt werden sollen, die keine Tiere wild lebender Arten mit sich führen.

Auf den dagegen gerichteten Eilantrag des Zirkus hin hatte das Verwaltungsgericht der Stadt Hameln der Stadt auferlegt, über den Antrag neu zu entscheiden, weil die beschlossene Beschränkung der Nutzung rechtswidrig sei. Der Grund: Eine Kommune kann laut dem Gericht einem reisenden Zirkusunternehmen, das über eine tierschutzrechtliche Erlaubnis zum Mitführen von Wildtieren verfügt, die Überlassung kommunaler Flächen nicht aus tierschutzrechtlichen Gründen versagen. Dies war – neben einem Formfehler – auch die Begründung des Oberverwaltungsgerichts, bei dem die Stadt Hameln Beschwerde eingelegt hatte, den Antrag abzulehnen.

„Kommunen können sich nicht über das Bundesgesetz hinwegsetzen“

„Kurz gesagt heißt das: Kommunen können sich nicht über das Bundesrecht hinwegsetzen“, sagt Obelode. Eben diese Begründung des Gerichts könne ihrer Meinung nach auch Bedeutung für künftige Urteilssprüche anderer Gerichte haben. Und sich somit auf andere Städte auswirken. Wirtschaftsbürgermeister Michael Föll befürchtet dennoch nicht, dass der Beschluss im Fall einer Klage Konsequenzen für Stuttgart haben könnte. „Die Ausgangslagen sind unterschiedliche“, sagt er. Anders als in Hameln habe man in Stuttgart nicht mit „tierrechtlichen Gründen“ argumentiert.

Dennoch geht es freilich um das Tierwohl. Doch die Rechtslage ist kompliziert. Es galt, so erklärt Stadtsprecher Sven Matis, den Beschluss des Gemeinderats so umzusetzen, dass er auch vor Gericht standhalten würde. Dabei musste man viele juristische Feinheiten beachten – um etwa nicht mit dem Bundesrecht in Konflikt zu geraten.

Der Gesetzgeber legalisiert momentan noch die Haltung von Wildtieren

Christoph Ozasek, Stadtrat der Fraktionsgemeinschaft SÖS/Linke-plus, der seinerzeit den Antrag mit in den Gemeinderat eingebracht hatte, beschreibt das Dilemma: „Der Gesetzgeber legalisiert die Haltung von Wildtieren in Zirkussen momentan noch – die Zirkusbetriebe verstoßen damit nicht gegen das Tierschutzgesetz.“ Darum habe die Stadt Stuttgart zu dem „Kniff“ gegriffen, sich bei der Änderung der Nutzungsbedingungen des Wasens eben nicht auf das Tierschutzgesetz, sondern auf in einer „Bundesratsdrucksache beschriebenen Erkenntnisse des Tierschutzes und der Tierverhaltensforschung“ zu beziehen. Diese rechtfertigten es, über die tierschutzrechtlich geforderten Maßnahmen hinauszugehen.

Ozasek verweist zudem auf andere Urteile: „In München und Hessen haben beide Gerichte das Recht der kommunalen Selbstverwaltung betont.“ Die Rechtsprechung laufe in Deutschland „gerade auseinander“. Deshalb fordert Ozasek „endlich eine bundeseinheitliche Gesetzgebung, die im besten Fall das Halten von Wildtieren in Zirkussen verbietet, um die nicht tiergerechten Haltungsbedingungen in engen Käfigen und auf Reisen zu unterbinden“.

Michael Föll jedenfalls ist der Überzeugung, dass es rechtskonform ist, dass Stuttgart – zumal mit einer Übergangsfrist bis 2019 – Zirkusbetrieben mit Wildtieren keine städtischen Festplätze mehr überlässt. „Absolut keine Bedenken“ habe er aber nicht: „Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand.“