Die Christdemokraten hoffen nun auf mehr Eintracht in der Union – und können sich Seehofer in Berlin vorstellen. Einer ganz besonders.

Berlin - Das vorherrschende Gefühl, das die große Schwesterpartei CDU am Tag des Münchner Burgfriedens befällt, ist Erleichterung. „Kurzfristig hat es sicher einen positiven Einfluss“, heißt es im Umfeld der Bundesvorsitzenden Angela Merkel, „dass die CSU nun aus der Selbstbefassung herauskommt.“ Soll beispielsweise heißen, dass der Machtkampf zwischen Horst Seehofer, dem Partei- und Regierungschef in Bayern, und seinem Finanzminister Markus Söder zuletzt auch die am Ende gescheiterten Jamaika-Verhandlungen mit Grünen und Liberalen belastet hat. Da nun dieses Duell fürs Erste entschieden ist, so hoffen sie im Kanzleramt wie im Konrad-Adenauer-Haus, könnten die anstehenden Regierungsbildungsgespräche mit der SPD in größerer Eintracht absolviert werden.

 

Die Suche nach einer arbeitsfähigen Regierung für Deutschland wird Seehofer und Söder, der in seiner neuen Rolle jetzt in die Sondierungen eingebunden werden soll, sicherlich noch eine ganze Weile beschäftigen. Ihr Ausgang wird auch über Seehofers Zukunft entscheiden. Wird er, immerhin schon 68 Jahre alt, noch einmal nach Berlin kommen, vielleicht sogar am Kabinettstisch Platz nehmen, falls eine neue große Koalition zustande kommt? Obwohl Seehofer selbst diese Frage am Montag unbeantwortet ließ, gelten auch für ihn noch die Argumente aus dem vergangenen Jahr – zum Umgang mit einem Sieben-Parteien-Parlament nach der damals noch fernen Bundestagswahl. „Damit wir da den anderen die Stirn bieten können, brauchen wir den CSU-Chef und weitere starke Kräfte in Berlin“, ließ sich Seehofer im Oktober 2016 zitieren. Schon während der Jamaika-Gespräche konnte sich der Bayer daher einen Platz in einem Kabinett Merkel vorstellen. Nur hat in der aktuell schwierigen Lage anderes Vorrang, wie auch CDU-Vize Thomas Strobl meint: „Es geht im Moment wirklich nicht darum, wer ins Bundeskabinett geht. Es geht nicht um Personen oder Posten, es geht jetzt um Deutschland.“

Erst einmal ist Erleichterung angesagt

Ihre Gedanken machen sich manche Christdemokraten dennoch und werben sogar. „Wenn Seehofer nach Berlin käme, wäre er für die Bereiche Arbeit, Gesundheit oder Soziales natürlich ein Pfund, mit dem die Union wuchern könnte“, sagt etwa der CDU-Mann Günther Oettinger. Der EU-Kommissar, der in Brüssel allerdings weniger mit dem eigenwilligen Parteivorsitzenden zu tun hätte, befürchtet solche Alleingänge nicht: „Quertreiberei würde ich keine befürchten, da sich der CSU-Chef auch schon in die Jamaika-Gespräche äußerst konstruktiv eingebracht hat.“

Unabhängig davon, ob es ein Kabinettsposten wird oder nicht, würde die Stuttgarter Bundestagsabgeordnete Karin Maag „eine Trennung von Landes- und Bundespolitik in der CSU begrüßen. Es wäre von Vorteil, wenn der Parteivorsitzende stärker das Berliner Geschehen in den Fokus nehmen würde.“ Darin schwingt auch Enttäuschung darüber mit, dass sich die CSU-Politik allzu häufig an regionalen Befindlichkeiten orientiert, zuletzt bei der Glyphosat-Entscheidung von Agrarminister Christian Schmidt, mit der wohl auch die bayerischen Bauern an ihre Partei gebunden werden sollten.

Wie stark der künftige Ministerpräsident Söder die regionale Karte spielen wird, blieb am Montag eine der großen Sorgen. Die einen halten ihn für einen Pragmatiker, der bei bundes- und europapolitischen Fragen der Union als Ganzes nicht in die Parade fahren dürfte. Andere sehen in Söder jemanden, „der nicht über den bayerischen Tellerrand hinausschaut“ und im Landtagswahlkampf noch viel Ärger machen könnte. Das aber ist Zukunftsmusik – erst einmal ist Erleichterung angesagt.