Nach der Volksabstimmung singen die Stuttgart-21-Befürworter Siegeshymnen. Die Projektgegner machen sich Mut für die Zukunft.  

Stuttgart - "So sehen Sieger aus", tönt es bereits kurz vor 19 Uhr am Sonntagabend lautstark im Ratskeller. Die Befürworter des Bündnisses für Stuttgart 21 sind schon gegen 19 Uhr in Feierlaune. "Es wird weitergebaut", werden Neuankömmlinge im großen Gedränge begrüßt. Und als das erste Zwischenergebnis auch für Stuttgart ein deutliches Bekenntnis für den Bau des Tiefbahnhofs signalisiert, kennt der Jubel keine Grenzen mehr. "Hermann weg, Hermann weg", skandiert die Menge. Fast jedes Ergebnis aus dem Land beklatschen die Befürworter frenetisch.

 

Kaum jemand im Saal hat mit diesem klaren Erfolg gerechnet. "Ich bin sehr zufrieden, ich habe den Bürgern zugetraut, dass sie so abstimmen", sagt der Verkehrswissenschaftler Gerhard Heimerl, einer der Väter von Stuttgart 21. "Jetzt sollte unter Demokraten wieder Friede herrschen."

"Das ist ein guter Tag für Stuttgart und das ganze Land", erklärt der CDU-Kreisvorsitzende Stefan Kaufmann. Die Stuttgarter hätten sich für einen Park anstelle einer Gleiswüste entschieden. Auch der FDP-Kreisvorsitzende Armin Serwani hat endlich mal wieder Grund zur Freude. "Unser Bündnis hat sein Ziel, den Tiefbahnhof zu bauen, erreicht. Ich hoffe dass die Gegner das Votum akzeptieren."

Lösch setzt weiter auf Kampfgeist der Stuttgarter

Vor dem Hauptbahnhof üben sich die Redner auf der Bühne in Durchhalteparolen. Der Theaterregisseur Volker Lösch, Kabarettist und Moderator Peter Grohmann ("Die Musik war gut, das Ergebnis ist es leider nicht") und die Grünen-Landtagsabgeordnete Brigitte Lösch sprechen vor einer vergleichsweise überschaubaren Zahl an Projektgegnern - laut der Polizei sind es 1500, laut Veranstalter 4000. "Der badische Teil des Landes war rebellischer als die Württemberger", kommentiert Brigitte Lösch den Umstand, dass sich die Bürger von Städten wie Mannheim, Karlsruhe und Freiburg deutlich gegen das Bahnprojekt Stuttgart 21 entschieden und ein "Ja" auf dem Abstimmungszettel angekreuzt haben, während in der Landeshauptstadt die Projektbefürworter in der Überzahl sind.

Volker Lösch setzt dennoch weiter auf den Kampfgeist der Stuttgarter: "Wir haben den Mut, uns einem scheinbar aussichtslosen Kampf zu stellen - und das Glück wird mit den Mutigen sein", ruft er der Menge zu, als um 18.59 Uhr das Mannheimer Ergebnis mit 56 Prozent Ja-Stimmen bekannt wird.

Auch wenn es in Stuttgart weniger Stimmen für das Ausstiegsgesetz gibt, das Ergebnis ist für den SÖS-Stadtrat Hannes Rockenbauch ein Zeichen dafür, "dass die halbe Stadt das Projekt nicht will". In der "Stunde der Niederlage" prophezeit er, dass Stuttgart 21 am Ende doch scheitern werde, nämlich an den aus dem Ruder laufenden Kosten. Daher sei es wichtig, "wie bisher weiterzumachen und ganz genau aufzupassen, dass nicht irgendwer heimlich eine Geldschatulle aufmacht". Die Menge auf dem Arnulf-Klett-Platz antwortet spontan mit "Baustopp-jetzt"-Rufen.

Laut Polizei ist es zu keinen Zwischenfällen gekommen

"Die Bäume stehen noch, und wir werden alles tun, dass sie auch weiterhin stehen bleiben", ruft Matthias von Herrmann, der Sprecher der Parkschützer, von der Bühne herab. Jubel erntet Niko Zahn, der für die Zeltdorfbewohner spricht, als er ankündigt: "Wir sind fest entschlossen, diesen Kampf weiterzuführen, bis wir es geschafft haben, Stuttgart 21 zu verhindern."

Kurz nach 20 Uhr löst sich die Kundgebung vor dem Kopfbahnhof allmählich auf. Nach Angaben der Polizei ist es zu keinen Zwischenfällen gekommen. Es formieren sich auch keine spontanen Protestzüge durch die Stadt, die laut dem Aktionsbündnis der Polizei als mögliche Reaktion auf das Ergebnis angekündigt waren. Gegen 21 Uhr läuft der Verkehr auf dem Arnulf-Klett-Platz wieder. Und die große Bühne vor dem Kopfbahnhof wird abgebaut.

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