Das Londoner Nein zum EU- Austrittsvertrag der Briten belebt in Berlin die Hoffnung wieder, dass die Briten doch in der EU bleiben. Wir haben erste Reaktionen von Politikern in Berlin eingeholt. Norbert Röttgen sieht zum Beispiel Chancen für ein zweites Referendum.

Berlin - Unmittelbar nach dem klaren Nein im Londoner Unterhaus hat auch in Berlin das Nachdenken darüber begonnen, wie es nun weitergehen kann. Auch wenn die britische Premierministerin Theresa May noch eine weitere Abstimmung ansetzen könnte, sind sich viele europapolitische Akteure in der Bundeshauptstadt darin sicher, dass es nur noch zwei Alternativen gibt: Entweder es gibt einen sogenannten harten Brexit, bei dem Großbritannien Ende März ohne jede vertragliche Folgeregelung unter chaotischen Umständen die Gemeinschaft verlässt. Oder es kommt zu einer zweiten Volksabstimmung.

 

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„Es wird immer unwahrscheinlicher, dass die Briten die Weichen für einen geregelten Brexit stellen“, bilanzierte Michael Link, der europapolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, am Dienstagabend. „Einen Brexit kann es jetzt nur noch als harten Brexit geben, weil es keine parlamentarische Mehrheit für einen geordneten EU-Austritt gibt“, meinte im Gespräch mit unserer Redaktion auch Norbert Röttgen, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses. Aus Sicht des CDU-Politikers ist damit andererseits die Wahrscheinlichkeit gestiegen, dass die Briten doch noch in der EU bleiben beziehungsweise noch einmal über Austritt oder Verbleib anstimmen: „Wenn der parlamentarische Prozess erschöpft ist, erscheint es mir logisch, das Volk erneut zu befragen – das Nein verstärkt das Momentum für ein zweites Referendum.“

Berlin lehnt überwiegend neue Gespräche ab

Udo Bullmann, in Berlin Mitglied des SPD-Präsidiums und in Brüssel Fraktionschef der sozialdemokratischen Europaparlamentsfraktion, sieht Großbritannien „in schwerem Fahrwasser“, aber eben auch die Chance, dass die Briten sich in Neuwahlen oder einem Referendum eine neue Meinung bilden. Zumal Nachverhandlungen im großen Stil, die theoretisch zu einem anderen Parlamentsvotum führen könnten, kaum zum Plan B gehören können, den May innerhalb von drei Tagen präsentieren muss.

Neue Gespräche werden in Berlin überwiegend abgelehnt. „Die EU ist den Briten bereits sehr weit entgegengekommen“, sagte die grüne Europapolitikerin Franziska Brantner: „Weitere Zugeständnisse würden die Rechte europäischer Verbraucher und Unternehmen gefährden und sind deshalb ein No-Go.“ Unionsfraktionsvize Katja Leikert (CDU) sieht das ähnlich: „Wir können in den nächsten Tagen noch über ergänzende Absprachen verhandeln, den Kern des Austrittsabkommens können wir aber nicht mehr verändern – erst recht nicht die Auffanglösung für Nordirland: Wir lassen die Iren beiderseits der Grenze nicht im Stich!“

Berlin zeigt hohe Bereitschaft, Briten mehr Zeit einzuräumen

Für den Fall, dass das Chaos der britischen Politik zu einer neuen Volksbefragung führen sollte, gibt es in Berlin hohe Bereitschaft, dafür mehr Zeit einzuräumen. Denn mitten hinein in die Sorge vor einem harten Brexit ist auch die Hoffnung auf ein grundsätzliches Umdenken zurückgekehrt. „Sollte sich das Vereinigte Königreich doch noch entscheiden, dauerhaft in der EU zu bleiben, werden wir das mit Nachdruck unterstützen“, so FDP-Mann Link. Er verweist aber darauf, dass „eine konstruktive Lösung aus Großbritannien kommen muss“ und sich die EU weiter für einen harten Brexit wappnen sollte.