Der UN-Migrationspakt hat deutschlandweit eine Diskussion um die Migrationspolitik Deutschlands ausgelöst. Nun geht der Kreisvorstand der Stuttgarter CDU überraschend auf Gegenkurs zu dem Pakt.

Stuttgart - Der Kreisvorstand der Stuttgarter CDU hat sich am Mittwochabend mehrheitlich gegen die Unterzeichnung des UN-Migrationspakts durch die Bundesregierung ausgesprochen. Der Pakt werde „weitreichende Folgen für die Bundesrepublik Deutschland haben“, heißt es in dem von der Bezirksgruppe Stuttgart-Ost eingebrachten Antrag, der unserer Zeitung vorliegt. So sei zu befürchten, „dass dadurch an den Parlamenten vorbei eine Völkerrechtstradition erschaffen wird, die schon nach wenigen Jahren von internationalen Richtern und Gerichten als bindend angesehen wird“. Durch den Pakt solle, so heißt es weiter, „ein Einwanderungsrecht für all jene geschaffen werden, die beim besten Willen weder als Verfolgte noch als Flüchtlinge anerkannt werden können“. In diesem Sinne hätten sieben Vorstandsmitglieder votiert, berichteten Sitzungsteilnehmer später. Vier hätten sich enthalten und deutlich gemacht, dass sie mit Blick auf den Pakt noch großen Informationsbedarf erkennen. Gegen den Antrag stimmte niemand, sagte Schriftführerin Sabine Mezger unserer Zeitung. In der Bezirksgruppe Stuttgart-Ost, die den Antrag einbrachte, gibt es einige betont konservative Mitglieder.

 

Bundestagsabgeordneter Stefan Kaufmann enthält sich

Der Kreisvorsitzende, der Stuttgarter Bundestagsabgeordnete Stefan Kaufmann, habe sich auch enthalten, erfuhr unsere Zeitung. Karin Maag, ebenfalls für Stuttgart im Bundestag, hatte an der Sitzung aus Termingründen nicht teilgenommen. Im Gespräch mit unserer Zeitung bekräftigte die CDU-Abgeordnete und stellvertretende Kreisvorsitzende allerdings ihre Haltung: Sie könne „nur begrüßen, wenn durch einen globalen Pakt überall gleiche Standards für die Behandlung von Flüchtlingen vereinbart werden“. Dies könne nur im langfristigen Interesse Deutschlands sein. Sie schließe sich deshalb ausdrücklich der Bewertung des Vize-Vorsitzenden des Unionsfraktion im Deutschen Bundestag, Stephan Harbarth (Heidelberg), an.

Harbarth hatte in der Unionsfraktion und öffentlich vehement gegen die Kritiker des Migrationspakts Stellung bezogen, die es auch in den Reihen der Fraktion gibt. Der Pakt ist laut Harbarth im deutschen Interesse. Er verweist darauf, dass es weltweit sehr unterschiedliche Standards beim Umgang mit Flüchtlingen gebe. Dieses Gefälle erzeuge automatisch einen „erheblichen Druck auf Europa, und innerhalb Europas insbesondere auf Deutschland“. Aus diesem Grund sei eine „gemeinsame Definition von Zielen innerhalb der Staatengemeinschaft erforderlich“. Das ist auch die Haltung von Kanzlerin Angela Merkel.

Kaufmann fordert mehr Klarheit im Migrationspakt

Dieser Argumentation folgt im Prinzip auch Stefan Kaufmann. Er nannte im Gespräch mit unserer Zeitung den UN-Migrationspakt „dem Grunde nach sinnvoll und angesichts der Entwicklungen in den vergangenen Jahren überfällig“. Die dort vereinbarten Vorgaben zur Migrationspolitik erfülle Deutschland „mutmaßlich bereits heute“. Kaufmann sieht aber Unklarheiten, die „unmissverständlich klargestellt“ werden müssten. Das betreffe vor allem die Frage, „ob die im Pakt enthaltenen Selbstverpflichtungen, soweit sie über das hierzulande geltende Recht hinausgehen oder jedenfalls dahingehend auszulegen sind, tatsächlich nicht vor deutschen Gerichten einklagbar sind“. Der Kreisvorsitzende will das Votum seines Vorstands dennoch eher als ein momentanes Stimmungsbild der an diesem Abend Anwesenden verstanden wissen, das nicht so bedeutend sei, wie es ein regelrechter Beschluss der Kreismitgliederversammlung wäre.

Die Bedenken waren vergangene Woche bereits in einer intensiven Debatte in der Unionsfraktion von Kritikern des UN-Paktes vorgetragen worden. Teilnehmer der Sitzung berichteten, dass bis zu einem Drittel der Fraktion durchaus kritisch eingestellt gewesen sei. Inzwischen scheinen allerdings die Argumente Harbarths viele Skeptiker überzeugt zu haben.

Der Pakt soll auf einem UN-Gipfel am 10. und 11. Dezember in Marokko angenommen werden. Die Fraktionen von Union und SPD wollen noch vor der Konferenz im Bundestag einen gemeinsamen Antrag verabschieden, der die Ziele des Paktes bekräftigt. Die Gespräche über einen gemeinsamen Text laufen. Wie unsere Zeitung erfuhr, ist mit einer Einigung Anfang der kommenden Woche zu rechnen. Die CDU-Bezirksgruppe Stuttgart-Ost hofft, dass der beschlossene Antrag zuvor noch beim Bundesparteitag Anfang Dezember in Hamburg als wichtiges Signal von der Basis wahrgenommen wird.