Eine Frau aus Rechberghausen tötet im Wahn ihre Oma und verletzt zwei Menschen. Das Landgericht Ulm urteilt, dass die geständige Täterin in eine psychiatrische Klinik muss.

Rechberghausen - Die Angeklagte sitzt reglos auf ihrem Stuhl, den Blick nach unten gerichtet. Nur wenn es um ihre Großmutter geht, kommt Bewegung in ihr Gesicht, sie tupft sich mit einem zerknüllten Taschentuch die Tränen ab. Im Dezember letzten Jahres hat sie die ältere Frau getötet – mit einem Nudelholz, einer Schere und einem Messer ging sie auf sie los. Danach griff sie eine Bekannte sowie den Lebensgefährten ihrer Mutter an. Letzterer überlebte nur mit viel Glück.

 

Am vergangenen Montag, 19. Juli, stand die 34-jährige Angeklagte aus Rechberghausen das erste Mal vor dem Landgericht Ulm, um sich für ihre Taten zu verantworten. Eine Woche später, am zweiten Verhandlungstag, hat das Gericht unter dem Vorsitz von Richter Wolfgang Tresenreiter nun ein Urteil gesprochen: Die 34-Jährige ist nicht schuldfähig. Gemäß Paragraf 63 wird sie deshalb auf unbestimmte Zeit in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht.

Angeklagte leidet unter paranoider Schizophrenie

Darüber waren sich die Staatsanwaltschaft, die Verteidigung und die Richter einig. „Die Angeklagte litt seit einiger Zeit unter einer paranoiden Schizophrenie“, erklärte der Oberstaatsanwalt Stefan Adamski in seinem Plädoyer. Zu diesem Schluss sei der Gutachter Heinrich Missenhardt, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, nach Gesprächen mit der Beschuldigten gekommen. Schon seit vielen Jahren habe es Auffälligkeiten gegeben. Die 34-Jährige habe Stimmen gehört, Dinge aus dem Fenster geworfen und Menschen für böse gehalten. Die Symptomatik habe sich immer weiter zugespitzt. Dann schließlich kam es aufgrund eines „starken Schubs“ zu der „furchtbaren Tragödie“ im Dezember vergangenen Jahres.

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Verstärkt wurde der Schub durch die Einnahme von Amphetaminen und den Konsum von Cannabis, sagte Stefan Adamski. Dass es sich um eine drogeninduzierte Psychose handele, sei aber eher unwahrscheinlich. Auch in der Untersuchungshaft, in der die Angeklagte abstinent war, habe sie eine hohe Wahndynamik aufgewiesen, erklärte der Oberstaatsanwalt. Er gehe deswegen, wie auch der Gutachter, von einer paranoiden Schizophrenie aus. Ohnehin gelte in beiden Fällen: „Die Angeklagte war nicht in der Lage, das Unrecht der Tat einzusehen und danach zu handeln.“

Die 34-Jährige ist nicht schuldfähig

Erst bei der dritten Person, die sie angegriffen hatte, habe es einen kurzen bewussten Moment gegeben: „Was mache ich hier?“ Daraufhin habe sie von der Frau, der Mutter eines Bekannten, abgelassen. „Sie hätte weitermachen können“, sagte Stefan Adamski. Auch der Verteidiger der Frau, Rechtsanwalt Rudi Mannl, betonte, dass die Angeklagte den Angriff hätte fortsetzen können, sich aber dagegen entschied. Er sagte außerdem: „Meine Mandantin hat die Taten zu keinem Zeitpunkt bestritten.“ Er teile die Meinung der Staatsanwaltschaft, wonach die 34-Jährige aufgrund ihrer Erkrankung nicht schuldfähig sei.

Dieser Einschätzung folgte auch das Gericht. Nach 45 Minuten Beratungszeit verkündete der Vorsitzende Richter der Kammer, Wolfgang Tresenreiter, das entsprechende Urteil. Es gehe nicht darum, eine Strafe auszusprechen, sondern die Frau und andere Menschen zu schützen, sagte der Richter und sprach die 34-Jährige direkt an: „Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass Sie sich wieder gegen Dritte wenden. Sie müssen behandelt werden.“

Angeklagte empfindet Reue

Er legte ihr nahe, an ihrer Persönlichkeitsstruktur und ihrem Drogenkonsum zu arbeiten – und zu lernen, mit der Krankheit umzugehen und sich rechtzeitig Hilfe zu suchen. „Was passiert ist, ist für Sie schlimm und für die Beteiligten schlimm. Es ist ein riesengroßes Unglück geschehen“, sagte Wolfgang Tresenreiter. Dass man dies nicht mehr ändern kann, ist wohl auch der 34 Jahre alten Frau durchaus bewusst. In ihren letzten Worten vor der Urteilsverkündigung sagte sie, dass ihr die Taten leid täten. „Wenn ich es rückgängig machen könnte, würde ich es sofort machen.“

Das steht in Paragraf 63 des Strafgesetzbuches

Schuldfähigkeit
 Psychische Krankheiten können dazu führen, dass Angeklagte als nicht oder vermindert schuldfähig gelten – wenn der Täter eine krankhafte seelische Störung hat. Nach Paragraf 63 des Strafgesetzbuches ordnet das Gericht die Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik an, wenn der Täter für die Allgemeinheit gefährlich ist.

Rauschzustand
Paragraf 64 dagegen regelt Taten, die in einem durch Drogen oder Alkohol hervorgerufenen Rauschzustand begangen wurden. In diesen Fällen kann das zuständige Gericht eine Unterbringung des Angeklagten in einer Entzugsanstalt anordnen.