Ein Bericht des Rechnungshofs zu den Pannen bei der Sanierung des Staatstheater-Schauspielhauses nennt viele Verantwortliche.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Die Pläne für den Umbau des Schauspielhauses am Stuttgarter Staatstheater sind von Anfang an viel zu ehrgeizig gewesen. Eine derart komplexe Sanierung für 24 Millionen Euro Gesamtkosten in zwölf Monaten Bauzeit durchzuführen sei „schlichtweg nicht möglich“. Zu diesem Schluss kommt der Landesrechnungshof in seinem mit Spannung erwarteten Gutachten zu dem Umbaudebakel. Die Kontrollbehörde war vom Finanzministerium wegen der massiven Verzögerungen und Mehrkosten eingeschaltet worden.

 

Angesichts der Vielzahl der mehrfach geänderten Vorgaben sei die Aufgabe kaum zu bewältigen gewesen, schreiben die Prüfer in dem der Stuttgarter Zeitung vorliegenden 42-seitigen Bericht: „Wie bei einer unlösbaren mathematischen Gleichung fehlen für die Lösung die Variablen.“ Die Machbarkeit des Projekts zu diesen Bedingungen hätte daher von vornherein infrage gestellt werden müssen. Dazu hätte „schon tradiertes Wissen um das Bauen und die logischen Zusammenhänge der Vorgaben“ genügt.

Auch der Verwaltungsrat muss sich Fragen gefallen lassen

Dass dies nicht geschehen ist, lastet der Rechnungshof vor allem der Bauverwaltung des Landes an. Sie hätte die von externen Planern dargestellten Bauzeiten „mehr als nur auf Plausibilität“ prüfen müssen. Aber auch der Verwaltungsrat der von Stadt und Land getragenen Staatstheater hätte sich bei seinen Beschlüssen rückversichern sowie angepasste Zeitpläne und Referenzobjekte einfordern müssen. Zum Vergleich verweisen die Prüfer auf den Neubau der Musikhochschule in Karlsruhe samt Probebühne für 19 Millionen Euro mit einer Bauzeit von 31 Monaten.

Ein Grundproblem sehen die Kontrolleure darin, dass von Anfang an eine „verbindliche Nutzungsanforderung“ gefehlt habe und während Planung und Bau immer wieder Änderungen vorgenommen wurden. So sei statt der vorgesehenen Sanierung des Zuschauerraums „eine komplette Neugestaltung“ beschlossen worden. Ursprünglich nicht geplante Maßnahmen wie den Umbau von Maske und Garderobe oder die Erneuerung des Bühnenportals seien während der Bauphase realisiert worden. Die Terminplanung habe man jedoch nicht angepasst, was prompt zu Verzögerungen und Kostenüberschreitungen führte.

Erhebliche Schuld soll der Architekt haben

Eine erhebliche Mitschuld gibt der Rechnungshof dem mit der Sanierung beauftragten Architekten Klaus Herdt. Seine Planung sei „nicht ausgereift“ gewesen, auch während des Baus sei er „seinen Pflichten unzureichend nachgekommen“. Mehrfach habe das Bauamt seine Präsenz auf der Baustelle anmahnen müssen. Laut Gutachten war das Vertrauensverhältnis zwischen der Bauverwaltung und dem Architekten „massiv gestört“: Sie habe bereits 2010 versucht, ihm zu kündigen, dies aber nicht durchsetzen können. Es habe an hinreichend klaren Vereinbarungen gefehlt, um „bei mangelhafter Leistung eine Trennung“ zu ermöglichen. Allerdings habe die Verwaltung die Pläne des Architekten „nicht kritisch genug“ hinterfragt.

Auch die Einschaltung eines Projektsteuerers beurteilen die Prüfer kritisch. Sie sei zum einen zu spät und mit zu unklarem Auftrag erfolgt, zum anderen grundsätzlich zu hinterfragen: Die Projektsteuerung sei eigentlich „eine originäre Aufgabe der Bauverwaltung“ und solle von dieser auch wahrgenommen werde. Beispiele anderer Großprojekte wie des Flughafens Berlin-Brandenburg oder der Hamburger Elbphilharmonie zeigten, das mit externen Beauftragten die Kosten- und Terminsicherheit nicht garantiert sei.

Tauziehen um die Bestuhlung

Eine wesentliche Ursache der Probleme sieht der Rechnungshof in „Kommunikationsmängeln“. So seien die sich abzeichnenden Verzögerungen zu spät vom Bauamt an den Verwaltungsrat gemeldet worden; die Behörde habe „den Warnsignalen zu wenig Bedeutung beigemessen“. Die Komplexität des Vorhabens und die Vielzahl von Beteiligten hätten die Abstimmungs- und Entscheidungsprozesse „in allen Projektphasen erschwert“. So habe das Mitwirken des Verwaltungsrates dazu geführt, dass gegen die maßgebliche Dienstvorschrift verstoßen worden sei.

Besonders kritisch beleuchtet der Rechnungshof das Tauziehen um die Bestuhlung. Nach Klagen der Intendanten über die Platz- und Sichtverhältnisse hätten die zuständigen Minister voreilig einen Einbaustopp sowie den Rückbau der bereits montierte Stühle verfügt. Dabei hätten sie besser die Ergebnisse eines eigens in Auftrag gegebenen Gutachtens abwarten sollen. Dessen Ergebnis laut Rechnungshof: Die Bestuhlung entspreche „allen gängigen Vorschriften“ und liege „im Vergleich zu Referenzobjekten im gängigen Rahmen“. Kritisch bewerten die Prüfer, dass durch den vom Theater durchgesetzten höheren Sitzkomfort sogar Plätze wegfielen.

Die finanziellen Auswirkungen der Umbauprobleme hat der Rechnungshof ausdrücklich nicht untersucht. Sein Gutachten dürfte aber eine zentrale Rolle spielen, wenn in nächster Zeit über die Verantwortung für die Mängel und die Verteilung der Zusatzkosten diskutiert wird.