20 Millionen Euro Strafzinsen binnen weniger Jahre sind den Kontrolleuren zu viel, die neu gebildeten gesonderten Rücklagen finden sie entbehrlich. Bürgermeister Michael Föll sieht das anders.

Stuttgart - Die städtischen Rechnungsprüfer haben es in ihrem Bericht von 2016 gnädig mit dem Klinikum und dem neuen Krankenhausbürgermeister Michael Föll (CDU) gemeint. Über den Abrechnungsskandal bei der Behandlung ausländischer Patienten heißt es diesmal nur, der Fall werde mit Steuerfahndern und Ermittlern aufgearbeitet. An Föll haben sich die Kontrolleure dennoch abgearbeitet - in seiner Funktion als Finanzbürgermeister.

 

„Verschiebung zu Lasten der Stadt“

In seinem Prüfbericht hat Amtsleiter Andreas Großmann bei den Zinszahlungen in Zusammenhang mit der Gewerbesteuer „eine finanzielle Verschiebung zu Lasten der Stadt von rund 19,7 Millionen Euro innerhalb von nur drei Jahren“ kritisiert. Hatte sie 2012 noch 7,7 Millionen Euro Nachzahlungszinsen kassiert, wurden 2015 zwölf Millionen Euro erstattet, weil Vorauszahlungsbeträge oft nicht angepasst und deshalb zu hoch gewesen seien. Zum Vergleich: Fölls umstrittene Sparliste mit trockenen Brunnen und geschlossenen Bädern hatte ein Volumen von 25 Millionen Euro.

Der Bürgermeister betont, die Verantwortung liege meist bei den Finanzämtern, konkret sei aber ein großer, einige Jahre währender Streitfall schlecht für die öffentliche Hand ausgegangen. Föll kritisiert in diesem Zusammenhang den nicht mehr marktgereichten Zinssatz von sechs Prozent pro Jahr. Die kommunalen Spitzenverbände hätten beim Bund vergeblich eine Senkung angeregt. wohl, weil er mehr Strafzinsen kassiert als Erstattungen leistet. Auch in Stuttgart habe sich das Verhältnis 2016 umgekehrt, sagt Föll: Das Zinsplus habe 14,2 Millionen Euro betragen.

Baufirmen haben keine Gewerbesteuer bezahlt

Nicht näher bezifferte Verluste sind jahrelang aufgelaufen, weil auswärtige Baufirmen in Stuttgart keine Gewerbesteuer bezahlt haben. Das ist aber Pflicht, sofern die Arbeit länger als sechs Monate dauert. Die Prüfkolonne hat bei städtischen Bauvorhaben Stadtbibliothek, Rosensteintunnel und Stadtmuseum säumige Zahler entdeckt.

Die Verwaltung will nun die für diese Firmen zuständigen Finanzämter anschreiben, um Nachforderungen zu erheben. Damit sich solche Fehler nicht wiederholen, müssten das Hoch- und Tiefbauamt künftig die Firmendaten melden, betont Föll, der auch mit Kritik an seinem positiven Jahresabschluss 2016 leben muss.

Gefüllte Rücklagen

Der Überschuss von 231 Millionen Euro und bereits Angespartes von 327 Millionen wird nicht mehr in der allgemeinen Rücklage gebunkert, sondern auf Basis von Gemeinderatsbeschlüssen auf mehrere Konten verteilt. Diese tragen Titel wie „Projektmittelfonds „Zukunft der Jugend“ (10,2 Millionen Euro), „Beteiligung an Stuttgart 21 (172,8 Millionen)“, „Klinikum“ (39,1 Millionen), „Opernsanierung“ (zehn Millionen) oder „Verzicht auf globalen Minderaufwand 2017“ (29 Millionen).

Diese Verteilaktion erlaubt der Gesetzgeber neuerdings, die Positionen seien aber nur „unverbindliche politische Absichtserklärungen“, relativiert das Prüfamt, denn Investitionen, für die noch keine Planreife vorliegt – etwa für die erst 2021 geplante Opernsanierung – dürften noch gar nicht im Haushaltsplan veranschlagt werden. Föll hält die politischen Beschlüsse zur Verwendung der frei verfügbaren Mittel dagegen sehr wohl für bindend.

Neue Rücklage dank LBBW-Zahlung

Das neue Verfahren sei „eine Vorstufe“ der eigentlichen Festlegung von Aufwendungen und Auszahlungen in den Haushaltsplanberatungen. Ungeklärt, weil man ja Neuland betreten habe, sei allerdings, wie weit her es mit der „längerfristigen Bindungswirkung“ der einzelnen Beschlüsse zur Verteilung wäre, wenn die Stadt plötzlichfür neue Investitionen zur Kreditaufnahme benötigen würde. Es gilt schließlich, dass vor einer Darlehenaufnahme die Rücklagen verzehrt werden müssten, um den Haushalt auszugleichen. Das sei derzeit nicht relevant, meint Föll und plant bereits die nächste Verteilaktion. Die Einzahlungen der Landesbank LBBW aus dem Garantiefonds von 165 Millionen Euro würden voraussichtlich 2018 im Finanzhaushalt unter der Position „Opersanierung“ verbucht. Das Konto „Verzicht Globaler Minderaufwand 2017“ wird aufgelöst. Föll und Prüfer sind sich einig, dass künftig solche Rücklagen nur für Investitionen gebildet werden dürfen, nicht für Aufwendungen im laufenden Betrieb. Und auch das neue Domizil der Kämmerei gegenüber dem Rathaus findet Erwähnung im Prüfbericht: Das Hochbauamt soll der für die Entsorgung von belasteter Erde verantwortlichen Firma 350 000 Euro zu viel bezahlt haben, weil es nicht auf das Rechnungsprüfungsamt gehört habe.

Philharmoniker und verzocktes Stiftungsgeld

Die Prüfer wunderten sich, dass ein Defizit des Orchesters von 220 000 Euro aus den Jahren 2014 /15 nicht zwischen Land und Stadt geteilt, sondern allein von der Stadt getragen wurde . Die StZ hatte 2016 über die nicht genehmigte Ausgaben berichtet. Bis dahin war das Defizit, für das die städtische Abteilungsleitung die Verantwortung trug, auf 360 000 Euro gestiegen.

Erwähnt wird auch ein alter Fall aus der Zeit, als die Rudolf- und- Hermann- Schmid-Stiftung noch nicht von der Stadt, sondern von einer Immobilienverwaltung betreut worden war. Diese hatte aus Versehen 140 000 Euro anstatt auf das städtische Konto auf jenes eines „unbeteiligten Dritten“ überwiesen, der dann behauptete, er habe das meiste verspielt. Man verpflichtete ihn zur Ratenrückzahlung, noch seien aber 45 000 Euro offen, die man sich bei der Immobilienverwaltung holen will.