Bei Streiks von Fluggesellschaften ist die Rechtslage vertrackt. Lehrreich sind die Erlebnisse eines Thüringer Ehepaares, das bis heute auf den Kosten für die Rückreise sitzen geblieben ist.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Berlin - Eine Flugreise nach Sizilien zum Schnäppchenpreis – da griff das Ehepaar Heinze (Name geändert) gerne zu. Nur 666 Euro pro Person kostete der zehntägige Pauschalurlaub bei Sonnenklar TV, einem Ableger des Münchner Veranstalters Big Xtra Touristik. Die schönen Bilder des Vier-Sterne-Hotels und die prominente Fernsehwerbung hatten die Rentner aus Thüringen überzeugt. Doch die Reise wurde zur großen Enttäuschung.

 

Das gebuchte Hotel habe allenfalls Zwei-Sterne-Niveau gehabt, berichtet das Paar. „Die Außenanlagen waren noch nicht fertig, rund um die Uhr lief ein lautes Notstromaggregat, und die Zimmer waren ungepflegt“, ärgert sich Rentner Heinze. „Zudem gab es eintöniges Essen am lieblosen Büfett, es fehlten Möbel auf dem Balkon sowie Zeitungen und TV-Programme in deutscher Sprache.“ Beschwerden bei der Reiseleiterin hätten keine Besserung gebracht.

Rückflüge auf eigene Rechnung

Zwei Tage vor der gebuchten Rückreise war es mit der erhofften Erholung dann ganz vorbei. Die Reiseleiterin teilte mit, dass wegen Streiks der Alitalia-Flug AZ 1722 von Catania über Rom nach Frankfurt ausfalle und man alternativ einen Tag früher fliegen könne. Später hieß es dann, die früheren Flüge seien schon ausgebucht, und das Paar solle sich selbst um eine Alternative kümmern. „Mit viel Mühe und Zeitaufwand und nur dank der Hilfe von Mitreisenden konnten wir schließlich einen Ersatzflug mit Transavia nach München auf eigene Kosten buchen und von dort mit der Bahn heimreisen“, erinnert sich Heinze. Das wollte sich das Paar nicht gefallen lassen und beauftragte nach der Rückkehr einen Anwalt. Doch der Veranstalter Big Xtra zahlte mit 134 Euro nur die verlangte zehnprozentige Minderung des Reisepreises.

Die Erstattung der Kosten für die Ersatzflüge von 424 Euro lehnte die FTI-Tochter unter Verweis auf den Streik ab. „Auf die Abwicklung der Leistungsträger haben wir keinen Einfluss“, so Big Xtra. Auch die Airline stellte sich stur und zahlte bis heute weder die Kosten der Ersatzflüge noch die Entschädigung von zusammen 500 Euro, die bei Ausfällen von Flügen bis 1200 Kilometer gemäß EU-Fluggastrechten fällig wäre. Alitalia begründete die Ablehnung der Zahlung mit den „außerordentlichen Umständen“, die zur Flugannullierung geführt hätten. Am fraglichen Tag habe sich das Flugpersonal an einem Generalstreik beteiligt, der nicht habe verhindert werden können. Deshalb müsse die Airline keine Ausgleichszahlung leisten.

Alitalia zahlt Ersatzflüge nicht

Die Erstattung der Ersatzflüge verweigert Alitalia ebenfalls. Man habe für alle betroffenen Passagiere alternative Beförderungen bereitgestellt, damit sie trotz Streiks ihr Reiseziel erreichen, behauptet die wirtschaftlich angeschlagene Airline. Damit habe man die Vertragsbedingungen erfüllt. Das Paar habe sich entschieden, die Heimreise selbst zu organisieren, und deshalb könne man „keine Erstattung für das von Kunden getroffene individuelle Reisearrangement anbieten“. Diese Aussagen bestreiten die Thüringer energisch. Die Fluglinie habe keine alternative Beförderung bereitgestellt und die Betroffenen „zu keinem Zeitpunkt“ unterstützt, schreibt ihre Anwältin. Auch fehle bislang der Nachweis, dass die Flugannullierung tatsächlich unvermeidbar gewesen sei und zuvor alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen wurden. Falls das nicht der Fall ist, muss die Airline dennoch zahlen, wie der Europäische Gerichtshof (EuGH) bei den wilden Streiks des Tuifly-Personals entschied und klagenden Kunden Entschädigung zusprach.

Rechtslage wird kundenfreundlicher

Für Ronald Schmid ist der Fall ein gutes Beispiel, wie kompliziert es sein kann, bei Reise- und Flugärger berechtigte Ansprüche durchzusetzen. „Gerade bei Streiks als Ursache vieler Flugannullierungen und Verspätungen ist die Rechtsprechung je nach Gericht unterschiedlich, wird aber seit dem EuGH-Urteil endlich verbraucherfreundlicher“, sagt der Frankfurter Rechtsanwalt und Reiserechtsexperte. Bisher hatten Passagiere nach gängiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Falle von Streiks begrenzte Chancen auf Erstattungen, soweit die Ursache generell als „höhere Gewalt“ gewertet wurde. Laut §651 j BGB steht den Kunden bei Pauschalreisen aber zumindest eine hälftige Entschädigung der Kosten für nötige Ersatzflüge zu.

Im Fall des Rentnerpaares sieht der Jurist Big Xtra voll in der Verantwortung. „Bei einer Pauschalreise ist die Airline der Erfüllungsgehilfe, der Veranstalter hatte die Pflicht, bei Streik eine Ersatzbeförderung zu organisieren“, sagt Schmid. Immer mehr Gerichte teilten diese Ansicht. Deshalb stünden in solchen Fällen die Chancen auf 100 Prozent Erstattung der Rückbeförderungskosten nicht schlecht.

Hohes Prozesskostenrisiko bei Klagen

Ob das Paar noch Klage einreicht, ist offen. Ohne Rechtsschutzversicherung ist das Prozesskostenrisiko so hoch, dass nicht selten selbst bei einer Einigung kaum etwas übrig bleibt. Eine Alternative wäre die Einschaltung eines Fluggastrechte-Portals wie Fairplane, das die Ansprüche kostenlos geltend macht, im Erfolgsfall aber im Schnitt ein Drittel der erstrittenen Zahlung behält.

Die Schlichtungsstelle für öffentlichen Personenverkehr (SÖP) in Berlin klärt Streitfälle mit Airlines, Bahnen, Bus- oder Schiffreisen-Anbietern sogar komplett kostenlos für Reisende. Das Problem: „Alitalia nimmt bisher nicht an unserem Schlichtungsverfahren teil“, sagt SÖP-Geschäftsführer Heinz Klewe. Die Betroffenen könnten sich aber mit ihrer Beschwerde an die nach §57a Luftverkehrsgesetz eingerichtete Schlichtungsstelle Luftverkehr beim Bundesamt für Justiz in Bonn wenden.

Einfach zu den Akten legen will das Ehepaar den Streitfall nicht. „Das lässt uns keine Ruhe“, sagt Rentner Heinze. Es geht ihm ums Prinzip: „Nach so viel Ärger, Kosten und entgangener Urlaubsfreude sollten Veranstalter und Airline für ihre Versäumnisse einstehen.“