Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Gegen ein NPD-Verbot gibt es grundsätzliche, juristische und pragmatische Einwände. Zunächst zu den prinzipiellen Vorbehalten: eine starke, selbstbewusste Demokratie müsse es aushalten, wenn sich im Schutz der grundgesetzlich garantierten Toleranz auch Parteien tummeln, die ganz anderes im Sinne haben, so argumentieren die Gegner eines Verbotsantrags. Liberale Verfassungsrechtler werten ein Parteiverbot als „autoritären Systembruch“. Länder wie Großbritannien und die Vereinigten Staaten, die auf jahrhundertealte parlamentarische Traditionen zurückblicken können, kennen ein solches Instrument nicht. Das Scheitern des ersten Verbotsverfahrens wirkt zudem wie ein Trauma nach. Im Falle einer Neuauflage wäre ein Erfolg keineswegs garantiert, auch wenn sich der neue Verbotsantrag dieses Mal nicht auf Spitzelberichte, sondern auf Belege stützen würde, die offen zugänglich sind: Flugblätter, Reden, Texte aus Zeitungen und aus dem Internet. Eine zweite Pleite würde der NPD Munition liefern, um den Staat zu verunglimpfen. Es wäre ein Triumph für die rechtsextreme Szene, eine verheerende Blamage für den Rechtsstaat.

 
Der Gang nach Karlsruhe berge erhebliche Verfahrensrisiken, sagen Skeptiker. So könnte der Verfassungsschutz gezwungen sein, seine Vertrauensleute aus dem rechtsextremistischen Milieu zu enttarnen, um sie als Zeugen auftreten lassen zu können. Diese Leute wären dann extrem gefährdet – und zudem als Informanten verbrannt. Selbst wenn das Bundesverfassungsgericht die NPD verbieten würde, stünde der Partei der Weg nach Straßburg offen. Wie der Europäische Gerichtshof in einem solchen Fall entscheidet, ist aber ungewiss.

Schwindende Bedeutung der Partei

Die Kritiker eines NPD-Verbots verweisen zudem auf die schwindende Bedeutung der Partei. Sie verliert seit Jahren Mitglieder. Bei den Landtagswahlen im laufenden Jahr hatte sie nur die Rolle einer Splittergruppe. Seit 2010 hat sie es nur in Mecklenburg-Vorpommern geschafft, in den Landtag einzuziehen. Die NPD rühmt sich zwar, dass sie in fast allen Bundesländern auch in Kommunalparlamenten vertreten sei. Sie hat insgesamt aber nur 300 Mandate, ein Großteil davon in Sachsen.

Gegner eines Verbots führen ins Feld, der Gang nach Karlsruhe gleiche einer medizinischen Therapie, die nur an den Symptomen herumdoktere, die Ursache der Krankheit aber ignoriere. Der braune Ungeist lasse sich nicht verbieten, sondern nur politisch bekämpfen. Ein Verbot liefere allenfalls Stoff für Märtyrermythen. Zudem sei die rechte Szene agil genug, um rasch neue organisatorische Strukturen zu schaffen. Die Bedeutung der NPD in diesem Milieu habe ohnehin erheblich abgenommen. Für jugendliche Neonazis sei die NPD eine „Altherrenpartei“, sagen Sicherheitsexperten. Aus diesem Umfeld kommen außerdem ganz pragmatische Bedenken gegen ein NPD-Verbot: Eine legale Partei und deren Aktivitäten lasse sich viel einfacher überwachen als diffuse rechtsextremistische Zellen im Untergrund.