Neonazis kaufen bundesweit Grundstücke und Häuser. Darüber gibt eine parlamentarische Anfrage Aufschluss. Für den Verfassungsschutz sind die Immobilien höchst aufschlussreich.

Berlin - Im „Jugendheim Hohenlohe“, einem ehemaligen Bauernhaus in der Ortsmitte von Herboldshausen bei Kirchberg an der Jagst, treffen sich regelmäßig Anhänger der rechtsextremen Weltanschauungsgemeinschaft „Bund für Gotterkenntnis (Ludendorff) e. V.“, um in Seminaren und Tagungen ihr religiös-völkisches und oft rassistisches Gedankengut zu verbreiten. In Tübingen verlegt der 2012 vom Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestufte Grabert Verlag geschichtsrevisionistische Schriften. Das „Jugendheim“ und das Verlagshaus sind zwei von insgesamt mindestens 60 Immobilien, die sich derzeit im Besitz von Rechtsextremisten befinden. Weitere knapp 200 Grundstücke und Häuser werden von Neonazis und rechten Parteien für Veranstaltungen und Wohnzwecke genutzt. Diese Zahlen hat jetzt die Bundesregierung in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen vorgelegt. Die Abgeordneten hatten nach Erkenntnissen über den Immobilienbesitz der rechten Szene gefragt.

 

Konkretere Angaben aber konnte oder wollte die Bundesregierung in ihrer Antwort nicht liefern: Eine bundesweite statistische Erfassung von Immobilien, die durch Rechtsextremisten genutzt werden, erfolge gegenwärtig nicht, heißt es. Insofern sei auch eine Aufschlüsselung nach Bundesländern nicht möglich. „Entsprechend dem gesetzlichen Auftrag sind Immobilien als solche nicht Gegenstand der Aufgabenwahrnehmung der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder“, teilte die Bundesregierung noch mit.

Aus der Immobilienliste lässt sich ein Lagebild erstellen

Das aber stimmt nicht, denn bereits im April 2011 hatte das Bundesamt für Verfassungsschutz unter der dienstinternen Projektnummer „BfV 2454136-0“ ein Bund-Länder-Auswertungsprojekt gestartet mit dem Titel „Immobilienstrukturen der rechtsextremistischen Szene — Infrastruktur, Nutzung, Perspektiven“. Entstehen sollte eine gesamtdeutsche Übersicht der von rechten Aktivisten genutzten Häuser und Grundstücke. Das Ziel der von den Landesämtern gespeisten Datenbank ist, „ein möglichst präzises Lagebild zu erstellen, um die Immobilienbasis der rechtsextremistischen Szene und deren daraus abzuleitenden Handlungsoptionen beurteilen zu können“, heißt es in einem der StZ vorliegenden BfV-Rundschreiben an die Landesämter vom 15. April 2011.

Die Landesämter sollten nicht nur die Anschriften der Immobilien und die Namen der Grundstückseigentümer mitteilen. „Die in die Gesamtanalyse einzubeziehenden und ggf. zu ergänzenden Erkenntnisse betreffen Eigenschaften des Objekts, Hintergründe zum Nutzer sowie Nutzungsmöglichkeiten des Objekts“, heißt es in dem Rundschreiben. Eine bundesweite Zusammenführung und Analyse der zu den genannten Kriterien vorliegenden Informationen seien „von hohem Erkenntniswert für die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder“. Eine entsprechende Materialsammlung könnte „Grundlage sein, um Rückschlüsse auf regionale Verankerungs- und Expansionsvoraussetzungen der dortigen rechtsextremistischen Kräfte zu ziehen“.

Schwerpunkt der Neonazis ist der Osten Deutschlands

Bei null musste das BfV mit seinem Auswertungsprojekt dabei nicht anfangen. Dem Rundschreiben beigefügt ist eine Liste mit 120 Grundstücken in Deutschland und zwei weiteren in Schweden und Frankreich. Sämtliche Immobilien wurden – Stand April 2011 – von Neonazis und rechtsextremen Parteien bewohnt oder für Veranstaltungen genutzt. 80 davon befanden sich damals im Eigentum von Rechten.

Eine Analyse der Liste ergibt, dass sich 2011 der Schwerpunkt der rechten Immobilien im Osten Deutschlands befand. Insgesamt 48 Gründstücke und Häuser besaßen Neonazis dort. Spitzenreiter im Westen waren 2011 Baden-Württemberg (sechs Immobilien), Bayern, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz (je fünf). Allerdings hat sich da in den letzten Jahren auch einiges verändert. In Gasthäusern wie die Linde in Schorndorf-Weiler oder das Rössle in Rheinmünster-Söllingen, die sich noch in der 2011er-Liste finden, spielen inzwischen dank Bürgerprotesten keine Nazi-Rockbands mehr auf, und die NPD Baden-Württemberg hat ihre Landesgeschäftsstelle aus Weikersheim nach Bayern verlegt.

Die hohe Zahl rechter Immobilien in Ostdeutschland ist nicht verwunderlich, da dort in ländlichen Gebieten und Kleinstädten billige, wenn auch sanierungsbedürftige Häuser leicht zu haben sind. Die Zahl der Grundstücke in rechter Hand dürfte daher seit 2011 eher noch gestiegen sein, unter anderem durch den Zulauf, den sogenannte völkische Siedlergemeinschaften in Dörfern haben. Völkische Siedler erwerben meist mit Familie Bauernhöfe fernab der Städte, um dort ungestört ihren rechten Lebensentwurf zu leben.