Im Januar 2001 gab es in Köln einen Sprengstoffanschlag auf ein Lebensmittelgeschäft, bei dem die deutsch-iranische Tochter des Besitzers schwer verletzt wurde. Da diese Tat in dem Propagandavideo auftaucht, wird der NSU vom Generalbundesanwalt auch für diesen Anschlag verantwortlich gemacht. Dasselbe gilt für das Nagelbomben-Attentat im Juni 2004 in der Kölner Keupstraße, wo sich fast ausschließlich türkische Geschäfte befinden. Damals wurden 22 Menschen verletzt, einige von ihnen lebensgefährlich.

 

Die Fehleinschätzung der Ermittler

Bis November 2011 hielten die Ermittlungsbehörden einen politischen Hintergrund sowohl bei den Morden wie bei den Bombenanschlägen für unwahrscheinlich; sie ermittelten stattdessen in Richtung auf eine Verstrickung der Opfer in die organisierte Kriminalität, in den Bereich des illegalen Glücksspiels und in Drogendelikte. Dadurch wurden auch die Angehörigen der Opfer zu Unrecht belastet und - weil die Verdächtigungen öffentlich wurden - in Misskredit gebracht.

Der Mord an einer Polizistin

Am 25. April 2007 wurde auf einem Parkplatz in Heilbronn die 22-jährige, aus Thüringen stammende Bereitschaftspolizistin Michèle Kiesewetter erschossen. Ihr Kollege überlebte einen Kopfschuss. An der Täterschaft des "NSU" gibt es keine Zweifel. Die Dienstwaffen der Polizeibeamten wurden in dem ausgebrannten Campmobil sichergestellt. Gefunden wurden weitere Gegenstände, die den Beamten gehört hatten.

Die Vorgeschichte

Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe sind in Jena aufgewachsen. Sie wuchsen dort in die Neonaziszene hinein und waren seit Mitte der neunziger Jahre Mitglieder des rechtsextremen "Thüringer Heimatschutzes". Böhnhardt wurde 1997 wegen Volksverhetzung verurteilt, nachdem er eine Puppe mit Judenstern an einer Autobahnbrücke aufgehängt hatte.

Im selben Jahr gerieten alle drei in Verdacht, nachdem vor dem Theaterhaus Jena ein Koffer mit einigen Gramm Sprengstoff deponiert worden war. Bei einer Hausdurchsuchung im Januar 1998 wurde in einer von Zschäpe angemieteten Garage eine Bombenwerkstatt mit fünf funktionsfähigen Rohrbomben ohne Zünder sowie 1,4 Kilo TNT gefunden. Böhnhardt war bei der Durchsuchung anwesend, konnte aber ungestört wegfahren. Unmittelbar danach tauchte das Trio in den Untergrund ab.

Mundlos (38) ist der Sohn eines Professors. Er galt als intellektueller Kopf der Zelle. Böhnhardt (34) wurde als ein besonders aggressiver Schläger beschrieben. Zschäpe (36), gelernte Gärtnerin, wird als zurückhaltend geschildert. Sie hatte eine Beziehung zunächst zu Mundlos, später zu Böhnhardt. Beide bezeichnete sie nach ihrer Festnahme als "meine Familie".

Die Ceská-Morde

Zwischen dem 9. September 2000 und dem 6. April 2006 beging der "NSU" neun Morde an Kleinunternehmern. Acht Opfer waren Türken oder türkischstämmig, einer Grieche. Alle Morde wurden mit derselben Waffe, einer Pistole des Typs Ceská CZ 83, begangen. Die Tatorte lagen in Nürnberg, Hamburg, München, Rostock, Dortmund und Kassel. Bei den Taten gab es eine Pause zwischen 2001 und 2004. 2006 brach die Mordserie ab. An der Täterschaft gibt es keinen Zweifel: Die Tatwaffe wurde in dem Campmobil bei Böhnhardt und Mundlos sichergestellt.

In der Zwickauer Wohnung wurden mehrere Propagandavideos aus den Jahren 2001 und 2007 mit Tatszenen gefunden. Die 2007 produzierte Fassung mit der Comicfigur "Paulchen Panther" wurde nach dem Tod von Böhnhardt und Mundlos an mehrere Adressaten verschickt. Bemerkenswert ist, dass auf dem Video aus dem Jahr 2001 insgesamt 14 Schaltflächen vorhanden waren, die "anschlagsbezogene Sequenzen" ankündigen. Dies lässt den Schluss zu, dass ursprünglich noch mehr Morde geplant waren.

Die Bombenanschläge

Im Januar 2001 gab es in Köln einen Sprengstoffanschlag auf ein Lebensmittelgeschäft, bei dem die deutsch-iranische Tochter des Besitzers schwer verletzt wurde. Da diese Tat in dem Propagandavideo auftaucht, wird der NSU vom Generalbundesanwalt auch für diesen Anschlag verantwortlich gemacht. Dasselbe gilt für das Nagelbomben-Attentat im Juni 2004 in der Kölner Keupstraße, wo sich fast ausschließlich türkische Geschäfte befinden. Damals wurden 22 Menschen verletzt, einige von ihnen lebensgefährlich.

Die Fehleinschätzung der Ermittler

Bis November 2011 hielten die Ermittlungsbehörden einen politischen Hintergrund sowohl bei den Morden wie bei den Bombenanschlägen für unwahrscheinlich; sie ermittelten stattdessen in Richtung auf eine Verstrickung der Opfer in die organisierte Kriminalität, in den Bereich des illegalen Glücksspiels und in Drogendelikte. Dadurch wurden auch die Angehörigen der Opfer zu Unrecht belastet und - weil die Verdächtigungen öffentlich wurden - in Misskredit gebracht.

Der Mord an einer Polizistin

Am 25. April 2007 wurde auf einem Parkplatz in Heilbronn die 22-jährige, aus Thüringen stammende Bereitschaftspolizistin Michèle Kiesewetter erschossen. Ihr Kollege überlebte einen Kopfschuss. An der Täterschaft des "NSU" gibt es keine Zweifel. Die Dienstwaffen der Polizeibeamten wurden in dem ausgebrannten Campmobil sichergestellt. Gefunden wurden weitere Gegenstände, die den Beamten gehört hatten.

Das Motiv für diese Tat ist im Gegensatz zu den anderen Taten weiterhin unklar. Generalbundesanwalt Harald Range sagte, die Polizisten seien nach dem bisherigen Ermittlungsstand zu Opfern geworden, weil sie "als Repräsentanten der wehrhaften Demokratie für die Verteidigung unserer Grundwerte einstanden". Das erklärt die Auswahl dieser beiden Opfer aber nicht. Der Präsident des Bundeskriminalamtes Jörg Ziercke hatte zuvor auf "räumliche Überschneidungen" hingewiesen.

Die Polizistin stammte aus demselben Ort, in dem Neonazis einige Jahre lang eine Gaststätte betrieben hatten. Familienangehörige der Polizistin und Repräsentanten des Ortes hatten daraufhin entschieden jeden Kontakt der Familie zu Neonazis bestritten. Inzwischen gibt es Vermutungen, die Polizistin sei ermordet worden, um an ihre Waffe zu gelangen.

Banküberfälle

Im Jahr 1999 begann eine Serie von 14 Banküberfällen, die dem "NSU" zugerechnet werden. Der letzte ist der am 4. November in Eisenach. Bei den Überfällen wurden rund 600.000 Euro erbeutet.

Weitere Ermittlungen

Seit Bekanntwerden der Taten des Zwickauer Terrortrios werden bundesweit alle noch ungeklärten Straftaten mit möglicherweise rechtsextremen Hintergrund erneut untersucht. Es gab Vermutungen in verschiedene Richtungen. Bis jetzt gibt es aber keine Belege oder auch nur belastbare Indizien dafür, dass der "NSU" für weitere Gewalttaten verantwortlich ist.

Rechtliche Abgrenzung

In den vergangenen Tagen tauchten unter Berufung auf die Verteidiger Zschäpes Zweifel auf, ob es sich bei dem "NSU" um eine terroristische Vereinigung im Rechtssinne handelt. Hintergrund ist die Tatsache, dass eine solche Vereinigung mindestens drei Mitglieder haben muss. Ob Zschäpe, die die Aussage verweigert, an den Morden selbst beteiligt war, ist unklar. BKA-Chef Ziercke hatte gesagt, dafür gebe es bis jetzt keine Belege.

Im Haftbefehl gegen sie ist nicht von Mord die Rede. Kritiker behaupten, dass deshalb auch der Vorwurf einer terroristischen Vereinigung in sich zusammenfallen könne. Der Generalbundesanwalt hat aber gerade betont, dass der dringende Tatverdacht der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung weiterhin bestehe - im Übrigen auch ein Anfangsverdacht an der Beteiligung bei den Morden. Auch der Sachverhalt spricht dafür. Die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung ist ein "Organisationsdelikt" im Vorfeld einer Terrortat.

Die Mitglieder müssen deshalb auch nicht an den Morden selbst beteiligt sein. Diese Rechtsprechung ist seit den großen Strafprozessen gegen die linksterroristische Rote-Armee-Fraktion (RAF) gefestigt. Der damals neue Tatbestand war geschaffen worden, weil man den Tätern oft mehr nicht nachweisen konnte. Zschäpe wird vorgeworfen, in mehreren Fällen Autos für Straftaten angemietet zu haben. Sie hat gemeinsam mit Böhnhardt und Mundlos bereits früh politisch motivierte Straftaten begangen. Sie hat mit beiden viele Jahre gemeinsam im Untergrund gelebt. Das dürfte ausreichen.

Die Unterstützer

Die Bundesanwaltschaft ermittelt gegenwärtig außer gegen Zschäpe noch gegen sechs weitere Beschuldigte, davon befinden sich vier bereits in Untersuchungshaft. Als "Verdächtige", aber noch nicht als Beschuldigte stuft die Bundesanwaltschaft fünf weitere Personen ein. Die schwersten Vorwürfe erhebt die Bundesanwaltschaft gegen Ralf Wohlleben (36), der am 29. November verhaftet worden ist. Er soll dem "NSU" 2001 oder 2002 eine Schusswaffe nebst Munition verschafft haben.

Juristisch wird dies als Beihilfe zu sechs vollendeten und einem versuchten Mord gewertet. Außerdem soll er dem Trio 1998 bei der Flucht geholfen und es auch finanziell unterstützt haben. Wohlleben war 2002 bis 2008 stellvertretender Landesvorsitzender, auch Pressesprecher der NPD in Thüringen und Vorsitzender des NPD-Kreisverbandes Jena gewesen.

Bereits seit dem 13. November in Haft befindet sich Holger G. aus Lauenau bei Hannover. Er lebte früher in Jena und soll dem Trio 2007 Ausweise zur Verfügung gestellt und mehrfach Wohnmobile angemietet haben, darunter auch das, das bei dem Mord an der Polizistin benutzt worden ist. Der am 24. November verhaftete Andre E. soll das Bekennervideo aus dem Jahre 2007 hergestellt haben. Matthias D., der am 11. Dezember festgenommen wurde, soll für das Trio in den Jahren 2001 und 2008 jeweils eine Wohnung in Zwickau angemietet haben. 

Die Rolle des Verfassungsschutzes

Die Rolle des Verfassungsschutzes, insbesondere des Thüringer Landesamtes, gibt Anlass zu heftigen Spekulationen und harter Kritik. Offiziell bestätigt ist bisher vom Thüringer Landesamt, dass Ende der 90er Jahre 2000 D-Mark an das Neonazitrio gezahlt werden sollten. Mit dem Geld sollten gefälschte Pässe besorgt werden. Der Verfassungsschutz wollte so nach eigenen Angaben Kenntnis über die Tarnidentität der drei Abgetauchten erlangen "zum Zwecke der Ergreifung des Trios". Das Geld sei aber nicht bei der Gruppe angekommen, weil der Überbringer es für sich selbst behalten habe.

Bei dem Überbinger soll es sich nach offiziell nicht bestätigten Berichten um den Neonazi und NPD-Funktionär Tino Brandt gehandelt haben. Brandt wurde 2001 als V-Mann "Otto" des Thüringer Verfassungsschutzes enttarnt, für den er seit 1994 gearbeitet hatte und von dem er insgesamt 200.000 D-Mark erhalten haben soll. Brandt trat damals aus der NPD aus. Brandt hat auch den "Thüringer Heimatschutz" gegründet. Nicht bestätigt sind Berichte verschiedener Medien, dass der Verfassungsschutz damals den Aufenthaltsort der Untergetauchten bereits gekannt und deren Verhaftung behindert habe.

Offiziell bestätigt ist dagegen, dass ein Mitarbeiter des hessischen Verfassungsschutzes sich 2006 in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit einem Mord des "NSU" in Kassel am Tatort, einem Internet-Café, befunden hat. Die Ermittlungen gegen den Mann wurden damals eingestellt, weil ihm keine Tatbeteiligung nachzuweisen war. Die niedersächsischen Behörden wiederum haben schwere Fehler bei der Observierung des "NSU"-Unterstützers Holger G. eingeräumt.