Eine Bund-Länder-Kommission soll aufklären, warum die Zwickauer Nazizelle so lange ungestört morden konnte.

Berlin - Die rechtsterroristische Mordserie der Zwickauer Terrorzelle Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) ist noch lange nicht komplett aufgeklärt, aber schon jetzt ist klar, dass den Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern in der Zusammenarbeit hanebüchene Fehler unterliefen. Die Zwickauer Zelle hat nach Erkenntnissen der Ermittler über Jahre hinweg neun Kleinunternehmer und eine Polizistin ermordet. Der rechtsextremistische Hintergrund der Taten wurde erst nach zehn Jahren und nur durch Zufall entdeckt.

 

Es ist mittlerweile unstrittig, dass Schlamperei und mangelnde Kooperationsbereitschaft der Verfassungsschutz- und Polizeibehörden des Bundes und der Länder das Untertauchen und damit auch das jahrelange mörderische Treiben der Nazitruppe begünstigt haben. Deshalb ist jetzt eine Bund-Länder-Kommission zur Aufarbeitung der zehn Nazimorde ins Leben gerufen worden. Das Bundeskabinett billigte am Mittwoch das vierköpfige Gremium. Es soll die Versäumnisse aufarbeiten und daraus die notwendigen politischen Schlüsse ableiten. Ziel sei eine „bessere Zusammenarbeit der Behörden von Bund und Ländern“, sagte Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU).

U-Ausschüsse gibt es in Thüringen und im Bundestag

Die neue Kommission soll die Ermittlungsergebnisse, die bei der Aufklärung in Bund und Ländern gewonnen werden, bündeln und auswerten. Der thüringische Landtag und der Bundestag haben Untersuchungsausschüsse eingesetzt. Außerdem bemüht sich in Thüringen eine vom Erfurter Innenministerium eingesetzte Kommission um den früheren Bundesrichter Gerhard Schäfer um Aufklärung. Von Bedeutung werden für die Bund-Länder-Kommission auch die Erkenntnisse sein, die der Generalbundesanwalt Harald Range zur Verfügung stellen kann.

Dem Bund-Länder-Gremium gehören Berlins ehemaliger Innensenator Ehrhart Körting (SPD), Hamburgs ehemaliger Innensenator Heino Vahldieck (CDU), der Münchner Strafrechtsexperte Eckhart Müller (auf Vorschlag der FDP) und der frühere Bundesanwalt am Bundesgerichtshof Bruno Jost (auf Wunsch der Grünen) an. Die Kommission bekommt einen Arbeitsstab im Bundesinnenministerium und laut Körting „sechs oder sieben Mitarbeiter“ zugeteilt.

Der SPD gehen die Befugnisse nicht weit genug

Auch wenn alle Parteien versichern, sich allein der Aufklärung verpflichtet zu fühlen und der Kommission deshalb auch Mitglieder aus allen demokratischen politischen Lagern mit Ausnahme der Linken angehören, sind bereits Risse im Parteienbündnis erkennbar. Die SPD beklagte, dass die Befugnisse der Bund-Länder-Kommission nicht weitreichend genug seien. Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion im Bundestag, Thomas Oppermann, begrüßte zwar die Einrichtung der Kommission. Er erwarte von ihr Empfehlungen für einen Umbau der Sicherheitsstrukturen in Deutschland. Allerdings könne sie diese nur dann liefern, wenn sie sich selbst ein Bild über die Arbeit der Landesbehörden verschaffen könne. Die Kommission müsse deshalb Anspruch darauf haben, Akten direkt einsehen und handelnde Personen einvernehmen zu können.

Der Streit geht um die Weitergabe von Akten

Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU), der darin eine Missachtung des föderalen Systems erkennt, lehnt aber einen direkten Zugriff der Kommission auf Akten ab. Er warf seinem Landsmann Oppermann vor, er wolle allzu gerne „Generalbundesanwalt spielen“, das bringe die Aufklärung aber „nun wirklich nicht weiter“. Er ärgere sich deshalb über dieses „Störfeuer von Herrn Oppermann“. Die Weitergabe von Akten der Ländersicherheitsbehörden an den Bund sei rechtlich nur dann erlaubt, wenn es darum gehe, Fehler von Bundesbehörden aufzuklären. Eventuelles Fehlverhalten von Landesbehörden sei von den ermittelnden Behörden, Gremien und parlamentarischen Ausschüssen der jeweiligen Bundesländer aufzuklären. Schünemann sicherte aber zu, dass die Ergebnisse der Länderinstanzen der Kommission in Berichtsform zugestellt würden. Auch Befragungen würden gestattet. Die Länder würden „alles bereitstellen, was rechtlich möglich ist“, so Schünemann. Man werde dabei, wenn es das Gesetz erlaube, auch „Zitate, die notwendig sind, aufnehmen“.

Ehrhart Körting (SPD) wollte den Streit über den Zugang zu Informationen nicht zu hoch spielen. Zwar forderte auch er direkten Zugang zu Informationen. „Wenn es um einen bestimmten Vermerk geht, brauche ich den Wortlaut des Vermerks, sonst ist er wertlos“, so Körting. Er glaubt aber trotz der komplizierten rechtlichen Grundlage, dass die Landesbehörden letztlich keine andere Wahl haben, als zu kooperieren. Wenn die Kommission den Wortlaut einer bestimmten Notiz anfordere, „dann möchte ich den Innenminister sehen, der sagt: ich stelle den nicht zur Verfügung“, sagte Körting. Wer maure, riskiere den „nächsten Untersuchungsausschuss“ in seinem Land.

Die Kommission arbeitet ohne Zeitdruck

Auch wenn Schünemann bereits zur Innenministerkonferenz im Mai einen Zwischenbericht der Kommission forderte, wollen sich deren Mitglieder nicht drängeln lassen. Man werde erst dann Erkenntnisse veröffentlichen, wenn bestimmte Komplexe komplett abgearbeitet wurden. „Unsere Aufgabe wird nicht sein, alle paar Wochen Auskunft zu geben“, so Körting. Ein Ergebnis der Kommission nahmen Friedrich und Schünemann aber bereits vorweg. Beide schließen aus, dass die Kommission in ihrem Abschlussbericht ein Versagen der föderalen Ordnung attestiere. „Wir sind der festen Überzeugung, dass in diesem Bereich wie in allen anderen Bereichen die föderalistischen Strukturen am Ende erfolgreicher sind als jede zentralistische Superbehörde“, sagte Friedrich.