Innenminister will Neonazis in Zentralregister erfassen und tritt damit eine Diskussion los.

Berlin - Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) will gefährliche Neonazis in einem neuen Zentralregister erfassen. Dort sollten „Daten über gewaltbereite Rechtsextremisten und politisch rechts motivierte Gewalttaten zusammengeführt werden“, sagte Friedrich der „Süddeutschen Zeitung“. Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) äußerte sich umgehend skeptisch. Innenminister Friedrich sagte, die neue Neonazi-Datei als Konsequenz aus der rechtsextremen Mordserie solle ähnlich wie die bereits bestehende Datensammlung über gefährliche Islamisten aufgebaut und von Verfassungsschutzämtern und Polizeibehörden in Bund und Ländern gespeist werden.

 

Justizminiterin sieht nichts Neues in einer solchen Datei

Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger meinte dazu im Südwestrundfunk (SWR): „Was soll das Neue an so einer Datei sein?“. Zunächst müsse geklärt werden, welche Register es bereits gibt. „Es gibt ja natürlich Dateien für Gewalttäter rechts, wie wir sie auch für islamistische Gewalttäter und linke Gewalttäter haben.“ Für angebracht hält es die Bundesjustizministerin, „sich über die Sicherheitsarchitektur „Verfassungsschutz“ Gedanken zu machen“. Sie monierte, „dass es vielleicht zu viele Verfassungsschutzämter“ gebe, die untereinander nicht ausreichend kooperierten. Besser sei es, „effizientere Strukturen durch Zusammenschlüsse mehrerer Landesverfassungsschutzämter (...) zu schaffen“ - was allerdings die Länder entscheiden müssten.

Bundesdatenschutzbeauftragter warnt vor zu schnellen Schlussfolgerungen

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar warnte vor zu schnellen Schlussfolgerungen aus der Mordserie und vor dem übereilten Aufbau neuer Strukturen bei den Sicherheitsbehörden. Schon jetzt sei ein Informationsaustausch zwischen Verfassungsschutz und Polizei möglich, „wenn Hinweise auf bevorstehende oder auch stattgefundene terroristische Aktivitäten vorliegen“, sagte Schaar der Nachrichtenagentur dpa. Der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, warf dem Verfassungsschutz angesichts der Neonazi-Mordserie vor, die Polizei nur ungenügend zu informieren.

Polizei kritisiert Verfassungsschutz scharf

Die Beamten könnten nur mit den Informationen arbeiten, die sie vom Geheimdienst erhielten, sagte Wendt am Mittwoch im Deutschlandfunk. Nach der Aufklärung des aktuellen Falles müsse man auch die Frage nach der Existenzberechtigung einer Behörde stellen, die mit „fragwürdigen Methoden fragwürdige Erkenntnisse ermittelt“ und diese nicht einmal weitergebe. „Zuweilen hat man schon den Eindruck, die fühlen sich sehr, sehr geheim und erzählen sich nicht mal untereinander, was sie tun“, sagte Wendt. „Das halte ich in einem Rechtsstaat für unwürdig.“

Debatte über NPD-Verbotsantrag geht weiter

Unterdessen geht auch die Debatte über einen neuen Verbotsantrag gegen die NPD weiter. Der Rechtsextremismus-Forscher Hajo Funke räumt einem neuen Anlauf gute Erfolgsaussichten ein. Bereits beim ersten Versuch hätte man die Frage der V-Leute klären können, vermutlich sogar innerhalb eines Jahres, sagte Funke im Deutschlandradio Kultur. Dies sei aber versäumt worden. Der Abzug von V-Leuten aus dem Führungspersonal der NPD stelle seiner Meinung nach kein Problem dar, alle notwendigen Informationen könnten auch sozialwissenschaftliche Analysen liefern.

Aussteigerprogramm für Rechtsradikale in Sachsen ausgebaut

Der Terror von Neonazis kann nach Ansicht des sächsischen Innenministers Markus Ulbig (CDU) für Rechtsextreme auch zum Anlass für einen Bruch mit der Szene werden. „Ich hoffe, dass Betroffene nun kritisch darüber nachdenken, wie gefährlich dieses Gedankengut sein kann. Es gibt eine Chance, Leute aus der Szene herauszuholen und es gibt eine Chance für diese Aussteiger“, sagte Ulbig der Nachrichtenagentur dpa. In Sachsen sei erst unlängst ein Aussteigerprogramm ausgebaut worden, um Rechtsextreme von ihrem Irrweg wegzuholen - „möglichst bevor sie Straftaten verübt haben“, ergänzte der Minister.

Zentralrat der Musilme befürchtet weitere Anschläge

Aus Angst vor weiteren Anschlägen aus dem rechtsradikalen Milieu forderte der Zentralrat der Muslime in Deutschland Schutz vom Staat an. „Wir haben die Sicherheitsbehörden gebeten, für den Schutz muslimischer Einrichtungen und deren Repräsentanten Vorkehrungen zu treffen“, sagte der Vorsitzende Aiman Mazyek den Zeitungen der WAZ-Mediengruppe.