Sturmbrigaden der griechischen Rechtsextremisten terrorisieren das Land. Die Politik befürchtet bereits Weimarer Verhältnisse für die anstehenden Demonstrationen und öffentlichen Aufmärsche.

Athen - Mit vielen Arten von Demonstranten hatte es die griechische Bereitschaftspolizei schon zu tun. Von protestierenden Rentnern, die ihre Krückstöcke schwingen, bis zu vermummten Chaoten, die Steine und Molotowcocktails werfen. Jetzt machen die Polizeibeamten Bekanntschaft mit einem neuen Kontrahenten. Diese Gegner treten im Gleichschritt an, mit militärischer Disziplin. Sie tragen schwarze Armeestiefel, Hosen in Tarnfarben, schwarze T-Shirts und Motorradhelme.

 

Viele haben auch kugelsichere Westen angelegt. Sie haben armdicke Holzknüppel dabei, um die weißblaue Griechenflaggen gewickelt sind. So gibt man Schlagwaffen als Fahnenstangen aus. Auf ihren T-Shirts steht „Chrysi Avgi“. das zeigt, woher die muskulösen jungen Männer kommen: von der rechtsextremistischen Partei „Goldene Morgenröte“. Einige Dutzend Kämpfer der Partei lieferten sich vergangene Woche in der griechischen Hafenstadt Korinth Prügeleien mit der Polizei. Die Rechtsradikalen protestierten gegen die Unterbringung 300 illegaler Migranten in einer Kaserne in der Stadt.

In fast jede zweite Wohnung eingebrochen

Die Chrysi Avgi schürt Fremdenhass, propagiert rassistisches Gedankengut und schmückt sich mit Symbolen, die an das Hakenkreuz der Nazis erinnern. In der illegalen Einwanderung hat sie ihr Thema gefunden. Seit einigen Jahren wird Griechenland von Armutsflüchtlingen aus Nahost, Asien und Afrika überlaufen. Auf eine Million wird ihre Zahl mittlerweile geschätzt. Wegen der Krise haben sie so gut wie keine Chance, Arbeit zu finden. Viele versuchen, sich mit Diebstählen, Straßenraub, Wohnungseinbrüchen oder Drogenhandel durchzuschlagen.

Im Athener Stadtviertel Patissia, wo die Migranten inzwischen in der Mehrheit sein dürften, wurde im vergangenen Jahr in fast jede zweite Wohnung eingebrochen. In der Krise, die immer mehr Griechen um ihre Existenz bringt, wächst die Intoleranz gegenüber den Ausländern. Das ist Wasser auf die Mühlen der Rechtsextremisten. Bei den jüngsten Wahlen im Juni kam die Chrysi Avgi auf knapp sieben Prozent der Wählerstimmen. Mit 18 Abgeordneten sitzt sie nun im Parlament.

Nun heben die Nazis Schlägertrupps aus

Der Wahlerfolg gibt den griechischen Neonazis Selbstvertrauen. Jetzt beginnt die Partei offenbar damit, Schlägertrupps aufzustellen. Vorbild scheint die SA zu sein, die paramilitärische Kampforganisation der Nazis. Den Anfang machte ein Chrysi-Avgi-Politiker in der Provinz Messenien auf dem Peloponnes, der jetzt über die lokale Presse alle Männer im Alter von 15 bis 70 aufrief, „wachsam zu sein“ und sich zu organisieren.

Die Neonazipartei sei dabei, „Sicherheitsbataillone“ im ganzen Land zu bilden, berichten Athener Zeitungen. Der griechische Minister für Bürgerschutz, Nikos Dendias, ist alarmiert: „Sturmbrigaden, die mit nationalen Symbolen hausieren gehen, werden wir nicht dulden – wir werden sie zerschlagen“, kündigte Dendias jetzt im Parlament an. Ilias Kasidiaris, Abgeordneter und Pressesprecher der Chrysi Avgi, bezeichnet die „Sturmbrigaden“ zwar als Hirngespinste des Polizeiministers, lässt aber zugleich durchblicken, dass die Zusammenstöße in Korinth wohl nur eine Generalprobe waren: Beim nächsten Mal werde man „nicht mit ein paar Dutzend, sondern zu Hunderten“ antreten, kündigte Kasidiaris an.

Bürgerkriegsähnliche Szenen im Herbst?

Der Minister Dendias sieht bereits „die Gefahr eines sozialen Umsturzes“. Immer häufiger gibt es in Griechenland Übergriffe gegen Ausländer. Mitte August überfallen fünf in Schwarz gekleidete Männer, die auf schweren Motorrädern durch das Ausländerviertel am Athener Omonia-Platz kurvten, einen dunkelhäutigen Mann. Sie attackieren ihn mit Steinen, Fäusten und Fußtritten, stechen schließlich mit Messern auf ihn ein. Der 19-jährige Iraker verblutet. Die Mörder entkommen.

Fast keine Nacht vergeht mehr in Athen ohne Attacken schwarz gekleideter Schläger auf Ausländer. Mehr als 500 Angriffe allein in den vergangenen sechs Monaten hat Dschavent Aslam gezählt, der Vorsitzende der pakistanischen Gemeinde in Griechenland. Viele Migranten trauen sich nachts nicht mehr auf die Straße. Geschäfte werden angegriffen, in eine Moschee in Piräus flog kürzlich eine Rauchbombe. Auch in der Provinz sind die Einwanderer nicht mehr sicher: Am 9. August werden in Rethymnon auf Kreta sechs Inder von Messerstechern angegriffen. Vier Tage später dringen im Provinznest Vonitsa Unbekannte mit Knüppeln in die Unterkunft von zwei Pakistanern ein und schlagen die Bewohner zusammen. Am gleichen Tag werden Migranten aus Bangladesch in Heraklion auf Kreta in ihrer Wohnung mit Rauchbomben angegriffen.

Nicht nur Ausländer werden terrorisiert

In der Kleinstadt Nea Manolada auf der Halbinsel Peloponnes klemmen zwei Männer am Samstag den Kopf eines Ägypters nach einem Streit im Seitenfenster ihres Wagens ein und schleiften den Mann fast einen Kilometer durch die Straßen. Das 22-jährige Opfer ist inzwischen außer Lebensgefahr. Von einem „unbekannten Krieg“ schreibt die Zeitung „Ta Nea“, einen „rassistischen Amoklauf“ sieht das Blatt „Ethnos“. Selbst auf der Jetset-Insel Mykonos, am Strand von Psarou, attackierten vergangene Woche Unbekannte eine Gruppe ausländischer Arbeiter.

Aber nicht nur gegen Ausländer richtet sich der Hass der griechischen Neonazis. Sie nehmen auch Schwule, Roma und Behinderte ins Fadenkreuz. Der „Grüne Flügel“, die ökologische Organisation der Chrysi Avgi, veröffentlichte jetzt auf ihrer Internetseite ein „wissenschaftliches Gutachten“, demzufolge alle „erblich belasteten“ Menschen sterilisiert werden sollten.

Der Herbst wird heiß

Nicht nur Griechenlands Neonazis profitieren politisch von der Eurokrise, sondern auch linksradikale Parteien haben Zulauf. Die Massenarbeitslosigkeit, die massiven Rentenkürzungen, die Pleiten, die immer mehr Menschen aus dem Mittelstand verelenden lassen, gefährden die politische Stabilität des Landes. Die stalinistische KP ruft zum „Umsturz“ auf. Als sich im Frühjahr vermummte Chaoten aus der Anarchistenszene und kommunistische Schlägertrupps Straßenschlachten lieferten, sah die Polizei untätig zu.

Wenn bei den Massendemonstrationen gegen das neue Sparprogramm, die für den Herbst erwartet werden, auch noch die Neonazibrigaden aufmarschieren, sind bürgerkriegsähnliche Szenen zu erwarten. Sollte das Land gar die Eurozone verlassen müssen und zur Drachme zurückkehren, befürchtet Ministerpräsident Antonis Samaras „eine nie da gewesene Krise der Demokratie“. Dem Land drohe dann „ein Schicksal wie in der Weimarer Republik“. Der Premier rechnet bei einem Euroaustritt mit einer Arbeitslosenquote von 40 Prozent, fünf weiteren Rezessionsjahren und sozialen Unruhen. Samaras fragt: „Welche Gesellschaft, welche Demokratie könnte das verkraften?“