Die Bundesanwaltschaft hat neben der „Werwolf“-Zelle eine ganze Reihe anderer Gruppen im Visier. Unterdessen haben sich Hoffnungen auf eine neue Spur im Mordfall des früheren Passauer Polizeichef Alois Mannichl zerschlagen.

Berlin - Die kürzlich in die Schlagzeilen geratene mutmaßliche „Werwolf“-Zelle schweizerischer und deutscher Neonazis ist nicht die einzige rechte Gruppe, die derzeit unter Terrorverdacht steht. Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe führt mindestens drei weitere Ermittlungsverfahren gegen rechtsextreme Organisationen wegen des Verdachts der Bildung einer terroristischen Vereinigung. Unterdessen haben sich Hoffnungen auf eine neue Spur im fünf Jahre zurückliegenden Mordanschlag auf den früheren Passauer Polizeichef Alois Mannichl zerschlagen.

 

In Ermittlerkreisen hieß es, dass es entgegen ersten Erwartungen offenbar doch keine Verbindung der Ende Januar zerschlagenen kriminellen Neonazigruppe „Objekt 21“ aus Oberösterreich zu dem Anschlag auf Mannichl gebe. Zwar hätten die Ermittlungen zum Teil enge Verflechtungen der österreichischen Kameradschaft zu Rechtsextremisten aus Passau und Thüringen ergeben; anfängliche Vermutungen, die gewalttätigen Neonazis aus Deutschland und Österreich hätten womöglich gemeinsam den Anschlag auf Mannichl ausgeheckt, haben sich aber bisher nicht bestätigt. Im Dezember 2008 war der damalige Passauer Polizeichef vor seinem Wohnhaus von einem bis heute Unbekannten niedergestochen worden. Die Ermittler gingen von der Tat eines Rechtsextremisten aus.

Im Zimmer eines Toten findet die Polizei Waffen und Munition

Während der Anschlag auf Mannichl also weiterhin kein Fall für die Bundesanwaltschaft ist, sieht die Karlsruher Behörde bei anderen Neonazigruppen offenbar Hinweise auf Terrorismus. Neben der mutmaßlichen schweizerisch-deutschen „Werwolf“-Zelle richten sich Ermittlungsverfahren nach dem Terrorismusparagrafen 129a gegen zwei Gruppen in Norddeutschland und Bayern. Im Mittelpunkt eines vierten Verfahrens stehen Aktivisten der 2010 gegründeten rechtsextremen Gruppe „Neue Ordnung“ um den mehrfach vorbestraften Neonazi Meinolf S., einen der bundesweit bekanntesten Neonazis. Als Gründer und Chef der 1992 verbotenen „Nationalistischen Front“ war S. schon einmal unter Terrorverdacht geraten, als er seinerzeit zur Bildung „Nationaler Einsatzkommandos“ aufgerufen hatte.

Die Bundesanwaltschaft prüft jetzt, ob der inzwischen 57-Jährige seine zwanzig Jahre alten Pläne mit Gleichgesinnten erneut in die Tat umzusetzen versucht hat. Auf seine Spur war man durch einen Leichenfund gekommen: Am 22. März vergangenen Jahres starb in der Pension Weißes Haus in Herzberg/Mark der 46-jährige Rechtsextremist Jörg Lange an einem Herzinfarkt. Im Zimmer von Lange, der einst zusammen mit anderen Neonazis als Söldner auf kroatischer Seite im Jugoslawienkrieg gekämpft hatte, stellten Polizeibeamte ein Gewehr, drei Pistolen und knapp 400 Schuss Munition sicher.

Die Bundesanwälte gehen nun dem Verdacht nach, dass S. mit Lange und weiteren drei namentlich bekannten Neonazis unter dem Deckmantel der Organisation „Neue Ordnung“ eine terroristische Gruppe gebildet hat. Im Nachlass des Toten aus der Pension fand sich eine verschlüsselte Festplatte mit diversen Dokumenten. Daraus ging hervor, dass der Tote zusammen mit Meinolf S. und einem weiteren Beschuldigten seit spätestens 2010 eine Immobilie suchte, „die geeignet sei, das gesamte Konzept (Kampfsport, Gesundheitszentrum, Seminar- und Tagungsräume, Unterkünfte, vielleicht noch Veranstaltungsfläche) umzusetzen“. Finanziert werden sollte der Ankauf der Immobilie demnach durch eine bislang unbekannte Person, die in den Telefonaten als „Bauer“ beziehungsweise „Kartoffelbauer“ bezeichnet wurde. Dieser Unbekannte sei bereit, bis zu 100 000 Euro in den Kauf zu investieren, heißt es in den Unterlagen.

Schulungsobjekt für Kampfsport

Worin das „Konzept“ der Gruppe bestanden hat, ist noch unklar. Elektrisiert hat die Ermittler jedoch der Umstand, dass in dem gesuchten Schulungsobjekt auch Kampfsport betrieben werden sollte. Gepaart mit dem Waffenfund bei dem toten Neonazi in der Pension könnte dies darauf hindeuten, dass die Gruppe nicht nur politische Schulungen plante. Hinzu kommt, dass einer der Beschuldigten – ein leitender Mitarbeiter eines Potsdamer Sicherheitsunternehmens und einschlägig bekannter Neonazi – in der Vergangenheit auch André E. getroffen haben soll, der als mutmaßlicher Helfer der rechten Terrorgruppe NSU in München vor Gericht steht.

In den Propagandamaterialien der Gruppe „Neue Ordnung“ finden sich zudem deutliche Hinweise auf militante Aktionen gegen den Staat: In ihrer Selbstdarstellung definiert sich die Organisation als eine „effektive und straff organisierte Bewegung“, in der eine „Elite für den Entscheidungskampf vorbereitet wird“.