„Hut- und Wutbürger“ gibt es auch unter baden-württembergischen Staatsdienern. Die Beamten haben eine besondere Treuepflicht. Doch auch für sie gilt die Meinungsfreiheit. Wo sind für sie die Grenzen des Erlaubten?

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Der als „Hutbürger“ bekannte Tarifmitarbeiter des Landeskriminalamtes Sachsen verlässt den Polizeidienst – ein Einzelfall. Wütende Anhänger und Mitglieder der AfD gibt es aber auch unter baden-württembergischen Staatsbediensteten.

 

„Es wäre naiv, dies zu verkennen“, sagt der Beamtenbund-Chef im Land, Kai Rosenberger – selbst wenn die AfD laut Umfragen bei den Südwest-Beamten bisher unterproportional vertreten sei. Doch je mehr sich die Partei radikalisiert und je häufiger die Demonstrationen der Rechten eskalieren, desto drängender wird die Frage, inwieweit sich Staatsdiener mit ihrer besonderen Treuepflicht in der Freizeit an Aktionen von AfD, Pegida und Gleichgesinnten beteiligen dürfen.

Was unterscheidet den Beamten vom Arbeitnehmer der freien Wirtschaft?

Beamte müssen sich durch ihr gesamtes Verhalten zur freiheitlich demokratischen Grundordnung bekennen. Das Gesetz stellt bei ihnen schärfere Anforderungen an das außerdienstliche Verhalten als bei Arbeitnehmern: Bei ihrer privaten politischer Betätigung sollen sie Mäßigung wahren und der Neutralität verpflichtet sein. Laut dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Lehrer und Polizisten eine noch strengere Loyalitätspflicht zum Staat, weil sie in besonderer Weisein der Öffentlichkeit stehen.

Darf ein Beamter gemeinsam mit Rechten wie Pegida demonstrieren?

Beamte sind Grundrechtsträger und können sich privat weitgehend wie Durchschnittsbürger verhalten – „sie sind nicht Vorbilder in allen Lebenslagen“, so der Deutsche Beamtenbund. Es sei keineswegs gewiss, dass Behörden Disziplinarmaßnahmen ergreifen können, weil sie einen ihrer Beamten bei einer Demonstration, an der sich Rechtspopulisten beteiligen, erkennen. Selbst wenn bei solchen Kundgebungen von einzelnen Teilnehmern der Hitler-Gruß gezeigt werde, verbiete sich die Teilnahme nicht per se. Entscheidend sind stets die Umstände des Einzelfalls. Anders ist die Situation bei einer Demo der NPD, die als verfassungsfeindlich eingestuft ist.

Darf ein Staatsdiener „Merkel muss weg“ rufen oder ein Plakat mit dem sogenannten „Merkel-Galgen“ hochhalten?

Die Meinungsäußerungsfreiheit berechtigt zur Kritik an der Regierung. Die Organe des Dienstherrn dürfen wegen ihrer Politik aber nicht derart in Frage gestellt werden, dass der Eindruck entsteht, der Staatsdiener sei bei seiner Amtsführung nicht loyal oder leiste dienstlichen Anordnungen nicht Folge. Nach Einschätzung des Beamtenbundes „dürften Rufe wie ,Merkel muss weg’ noch vom Recht der Meinungsfreiheit gedeckt sein“. Bei Plakaten mit dem „Merkel-Galgen“ oder anderen persönlichkeitsverletzenden Darstellungen sei dies nicht mehr anzunehmen. Denn dabei handelt es sich um eine Beleidigung im Sinne des Strafgesetzbuchs, also um eine Straftat.

Wann droht die Entlassung?

Bei allen Verurteilungen, die zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und länger führen oder wenn sich der Beamte gegen die verfassungsrechtliche Ordnung richtet, muss er aus dem Dienst entfernt werden.

Was gilt für die Tarifkräfte?

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts genügt alleine die Mitgliedschaft oder die Teilnahme an Aktionen verfassungsfeindlicher Vereinigungen nicht, um ausreichende Zweifel an der Verfassungstreue zu begründen. Gefordert werden vielmehr konkrete Verhaltensweisen, die sich gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung richten. Für eine Kündigung reicht auch die Kandidatur in einer verfassungsfeindlichen Partei noch nicht aus. Dazu müsste die politische Betätigung das konkrete Arbeitsgebiet berühren.