Ungarn wird vorgeworfen, EU-Geld in schwarzen Kanälen verschwinden zu lassen. Eine Gruppe Europaparlamentarier reist durch das Land, um sich ein Bild zu machen. Doch der Empfang ist frostig.
Die Besucher aus Brüssel sind in Budapest nicht überall willkommen. Noch kurz vor dem Eintreffen der Delegation des Europarlamentes hat Premierminister Viktor Orbán in einer Rede vor seinen Anhängern in der westungarischen Stadt Veszprem sehr deutlich gemacht, was er von der Europäischen Union hält. Der Rechtspopulist verglich das Einigungsprojekt der EU mit den Weltherrschaftsplänen von Adolf Hitler. Seit dem Ende des Römischen Imperiums habe es das Bestreben gegeben, auf dessen Gebiet das Reich wiederherzustellen, polterte Orbán. „Byzanz, Karl der Große, (der deutsche Kaiser) Otto, Napoleon und Hitler – sie alle träumten, auf jeweils anderen Grundlagen, von der europäischen Einheit.“ Auch heute sei das nicht anders, fügte er hinzu.
Die Parlamentarier sind Hasstiraden gewöhnt
Die Europaparlamentarier des Haushaltskontrollausschusses sind solche ungarischen Tiraden gewöhnt und wollen sich bei ihren Gesprächen mit NGOs, Journalisten und Vertretern der Zivilgesellschaft nicht beeindrucken lassen. Ein Ziel ist es, den Vorwürfen nachzugehen, dass in Ungarn durch manipulierte Ausschreibungen und Korruption EU-Gelder versickern. Der Ausschuss sei „wirklich daran interessiert, dass die Prozesse zur Auszahlung europäischer Gelder an ungarische Bürger auf faire und gerechte Weise erfolgen“, betont Monika Hohlmeier, CSU-Europaparlamentarierin und Leiterin der Delegation.
Ein Auge geworfen werden soll auch auf den Zustand des Rechtsstaates. Seit Jahren arbeitet Orbán daran, das demokratische System in seinem Land auszuhöhlen. So bewertet Brüssel eine Justizreform, insbesondere die Schwächung des Obersten Gerichtes, als Angriff auf die Rechtsstaatlichkeit. Anfang Mai hat die Regierung nun einige Zugeständnisse gemacht und eine Gesetzesnovelle verabschiedet, die einen Teil des Justizumbaus rückgängig machen soll.
Ungarns Regierung demontiert den Rechtsstaat
Diese Reform der Reform geschieht in Ungarn allerdings nicht freiwillig. Brüssel hat wegen der Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit, dem Verdacht der Korruption und der Einschränkung von Meinungs- und Pressefreiheit über 20 Milliarden Euro aus dem gemeinsamen EU-Haushalt und weitere 5,8 Milliarden Euro aus dem Corona-Aufbaufonds eingefroren. Freigegeben wird das Geld erst, wenn sich Ungarn wieder auf den Weg hin zu einer liberalen Demokratie begibt.
Der Europaparlamentarier Daniel Freund warnt, dass etwa die angekündigten Korrekturen im ungarischen Justizsystem nur kosmetischer Natur seien und Orbán lediglich zum Schein kleinere Zugeständnisse mache. Der Grünen-Politiker ist Teil der EU-Delegation und sein Eindruck nach ersten Gesprächen in Budapest ist: „Anders als von der Orbán-Regierung behauptet, steht die Pressefreiheit in Ungarn unter einem enormen Druck.“ Es gebe weiter eine systematische Diskriminierung. Auch würden sich manche Gesprächspartner aus Angst vor Repression nicht trauen, offen zu sprechen. Aus diesem Grund fordert er die EU-Kommission auf, die Gelder weiter zurückzuhalten.
Budapest spricht von einer Hexenjagd
Mit solchen Aussagen macht sich Daniel Freund in Ungarn keine Freunde. Zumal sich der Grünen-Politiker zum Lieblingsgegner der Orbán-Regierung entwickelt hat, weil er seit Jahren deren offensichtlichen Verfehlungen anprangert. Auch während des aktuellen Besuches der EU-Delegation wurde er mit besonders großer Abneigung empfangen. Daniel Freund sei Anführer einer „Hexenjagd“ und der „Inquisition“, schlägt dem Deutschen entgegen. Der nimmt solche Anfeindungen inzwischen offensichtlich als eine Art Auszeichnung für seine gute Aufklärungsarbeit.