Knallorange hat Georg Bayer sein Haus in Hayingen angemalt. Das gab Ärger: Das Farbenspiel ist zum Rechtstreit geworden. Nun muss die Frage geklärt werden „Wie viel künstlerlische Freiheit ist erlaubt?“

Hayingen - Georg Bayer mag es bunt. Quietschorange hat er sein elterliches Haus in Hayingen (Kreis Reutligen) angestrichen, die Rahmen um die Fenster herum sind knallgelb und ziemlich schräg angesetzt. „Fröhlich muss es aussehen“, sagt der 55-Jährige. Er hatte einen Heidenspaß, zusammen mit seinen beiden Kindern ein Wochenende lang in den Farbtopf zu greifen. Doch sein Versuch, gegen die Tristesse des Alltäglichen ein Zeichen zu setzen, hat ihm ziemlich viel Aufregung eingebracht.

 

Das sei eine Geschmacksverirrung, kritisieren manche, das sei das schönste Haus in dem Städtchen mit seinen 2200 Einwohnern, loben andere. Die Gemeindeverwaltung allerdings hat wenig übrig für die leuchtende Fassade mitten im Ort und bedrängte Bayer, den Farbexzess möglichst umgehend zu überpinseln. Da sich dieser stur stellte, folgte ein ausführliches Schreiben vom Landratsamt in Reutlingen. Der Anstrich verstoße gegen das „bauordnungsrechtliche Verunstaltungsgebot“, das Haus wirke „im Straßenzug wie ein Fremdkörper“. Da eine nachträgliche Genehmigung der Fassadengestaltung nicht in Betracht komme, müsse der Hauseigentümer die Mängel beseitigen.

Farbenspiel wird Rechtsstreit

Was für den Hausbesitzer als lustiges Farbenspiel begann, ist längst zu einem Rechtsstreit geworden. Das Landratsamt beruft sich auf die Landesbauordnung und kritisiert, dass die Fassade völlig verzerrt wirke, „ohne dass eine künstlerische oder ästhetische Wirkung entstünde“. Das besondere Ortsbild mit Fachwerkgebäuden und Holzverkleidungen werde beeinträchtigt. „Ich war noch nie ein Konformist“, sagt Georg Bayer, der sich über die Gängelei durch die Kommune ärgert. Schon einmal in Brandenburg habe er ein Haus so kunterbunt angemalt und kein Einziger habe sich darüber beschwert. Nur in Hayingen sei die Farbe ein Problem, da dürfe man nicht mal mehr die Gestaltung seines Hauses selbst in die Hand nehmen. „Die wollen alles am liebsten in Beige haben“, spottet Bayer, „wie langweilig!“

Die Farbaffäre wächst sich immer weiter aus. Inzwischen arbeitet die Kommune Hayingen an einer Gestaltungsatzung, über die der Gemeinderat bald entscheiden wird. Sie solle gestalterische Eckpunkte wie ein Farbspektrum und die Ausrichtung der Giebel festlegen – ohne die Hausbesitzer zu sehr einzuengen, hat der Bürgermeister Kevin Dorner angekündigt. Er will vermeiden, dass die schrille Farbigkeit andere in der Gemeinde ansteckt. Rückwirkend werden die Vorschriften der Satzung allerdings nicht greifen, das störende Grellorange hat Bayer schon im vergangenen Oktober aufgetragen.

Wie viel Freieheit ist erlaubt?

Wie viel künstlerische Freiheit an der Fassade erlaubt ist, muss womöglich das Verwaltungsgericht entscheiden. Georg Bayer will nicht klein beigeben – zumal die Unterstützung, die er erhält, groß ist. „Es kommen Touristen von überall her, die mein Haus fotografieren wollen“, sagt er. Seit den ersten Medienberichten über den Streit erhält Bayer E-Mails und Briefe, die ihn als „Hayinger Hundertwasser“ preisen, die ihn anspornen, im Kampf gegen die Behörden durchzuhalten.

Der Sache mit dem Haus hat sich inzwischen der Reutlinger Landrat Thomas Reumann angenommen. Hochstpersönlich schaute er sich am Mittwochnachmittag in der Hayinger Altstadt um, um so manche Frage zu klären. Wie schrill ist das Orange wirklich? Welche Kulturdenkmale sind in der Nähe, und in welcher Sichtbeziehung stehen sie zu dem bunten Haus? Im Gespräch mit dem Hausbesitzer Georg Bayer und dessen Anwalt versuchte er, eine Lösung im Fassadenstreit zu finden. „Das war konstruktiv“, sagt Reumann in einer anschließenden Pressekonferenz im Rathaus. „Wir haben uns darauf verständigt zu prüfen, ob es einen Vergleich geben kann.“

In drei Wochen will sich Bayer entschieden haben, ob er sich auf einen Kompromiss einlässt. „Ich muss ein Bier drauf trinken“, sagt er und versichert, dass er gerne in Hayingen lebe. Den Bürgermeister trifft er nach wie vor gelegentlich auf einen Kaffee. Und er hofft, dass die Kommune trotz des Streits eines nicht übersieht: „Ich habe Hayingen schneller bekannt gemacht als alle Werbestrategen der Stadt.“