Liegt ein Fall von Diskriminierung vor, wenn ein Mädchen nicht im Knabenchor singen darf? Eine Berliner Anwältin hatte für ihre Tochter ein Vorsingen beim Thomanerchor in Leipzig eingeklagt. Nun nimmt das Kind doch nicht am Vorsingen teil.

Leipzig - Im Streit um Mädchenstimmen im Knabenchor möchte die Berliner Rechtsanwältin, die ihrer Tochter eine Aufnahme im Leipziger Thomanerchor ermöglichen wollte, ein Vorsingen des Mädchens verschieben. Damit könne das Kind aber nicht mehr am Aufnahmeverfahren teilnehmen, hieß es am Montag von der Stadt Leipzig. Dies käme einer Vorzugsbehandlung gleich.

 

Wie ein Sprecher der Stadt mitteilte, wurde die Bewerberin am 11. September zum Vorsingen am Montag, 30. September, oder 1. Oktober eingeladen. Jedoch bat die Mutter um einen Aufschub von vier Monaten: Ihre Tochter müsse erst noch den „Knabenchorklang erlernen“. „Eine solche stimmliche ,Umerziehung‘ entspricht weder dem Menschenbild der Leitung des Chores noch seiner Auffassung vom Kindeswohl“, hieß es von der Stadt.

In Berlin war die Klage zurückgewiesen worden

Die Stadt Leipzig setzte mit der Einladung zum Vorsingen ein Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts (Az. VG 3 K 113/19) um, wonach die künstlerische Bewertung einer Stimme den Ausschlag darüber gibt, wer in einem Knabenchor singen darf. Da das Mädchen genauso wie andere Bewerber behandelt werden soll, müsse sie auch zu den vorgegebenen Terminen vorsingen, so die Stadt. Ansonsten sei das Aufnahmeverfahren beendet.

Das Berliner Verwaltungsgericht hatte im Sommer bereits eine Klage der Rechtsanwältin zurückgewiesen, mit der sie ihre Tochter in den Staats- und Domchor Berlin bringen wollte. Er ist gleichfalls ein Knabenchor. Das Recht auf Kunstfreiheit überwiege bei der Entscheidung des Chors, das Mädchen abzulehnen, befand das Gericht. Das Klangbild des Chors habe Vorrang.