Das Land Baden-Württemberg greift durch: Die im Raum Stuttgart agierende Gang Red Legion ist aufgelöst. Sie war in der Vergangenheit mit anderen Banden wie den Black Jackets aneinandergeraten – dabei gab es kurz vor Weihnachten in Esslingen sogar einen Toten.

Stuttgart - Der baden-württembergische Innenminister Reinhold Gall (SPD) hat am Donnerstag die als gefährlich geltende Gruppierung Red Legion und deren Nachwuchsorganisation Red Nation mit einem Vereinsverbot belegt. Damit reagiert das Ministerium auf mehrere gewalttätige Auseinandersetzungen in Stuttgart und in den Kreisen Esslingen und Ludwigsburg, an denen Red-Legion-Mitglieder in den vergangenen Monaten beteiligt waren.

 

110 Mitglieder bekommen Verbotsverfügung

Unter der Federführung des Landeskriminalamts (LKA) bekamen am Donnerstag 110 Mitglieder des Vereins die Verbotsverfügung. Zeitgleich durchsuchten Beamte sechs Wohnungen von Führungsmitgliedern, Vereinsvermögen wurde beschlagnahmt. Zudem sind bei der Razzia laut Landeskriminalamt Bankunterlagen, Datenträger, Kleidungsstücke, Messer, Schlagwerkzeuge, Anabolika und Marihuana sichergestellt worden.

An der Aktion sind 160 Beamte der Bereitschaftspolizei, der örtlichen Dienststellen der Landespolizei und des Landeskriminalamts Saarland beteiligt gewesen. Mit dem Verbot gilt der Verein als aufgelöst. Ihm sind jegliche Tätigkeiten untersagt: Seine Kennzeichen – zunächst ein Gorillagesicht, später ein Totenkopf – dürfen weder verbreitet noch verwendet werden.

Ursprung in einem Kulturverein in Bad Cannstatt

Als Keimzelle der Red Legion gilt ein Kulturverein in Bad Cannstatt, der an sich harmlos sein soll. Die Söhne einiger Mitglieder schlossen sich vor zwei Jahren zusammen. Die Stammkneipe der Jugendbande befindet sich heute in der Stuttgarter City. Red Legions legen großen Wert auf ihr Äußeres und zeigen gerne ihre muskelbepackten Oberkörper. Auffällig sei die Neigung, Macht und Gewalt als ästhetische Werte wahrzunehmen und darzustellen, so das Landeskriminalamt. Nach innen werde Gehorsam gefordert, nach außen Verschwiegenheit. Die jungen Bandenmitglieder, die vorwiegend kurdischer Abstammung sind, hatten sich immer wieder regelrechte Schlachten mit verfeindeten Banden geliefert. Vor allem mit den berüchtigten Black Jackets kam es zu brutalen Zusammenstößen.

Einer davon gipfelte am 21. Dezember vergangenen Jahres in einer Messerstecherei am Esslinger Obertor, bei der ein 22-jähriger Anhänger der Black Jackets getötet wurde. Auf Facebook bezeichnet die Red Legion die Attacke als „sportliche Auseinandersetzung“. 19 Tatverdächtige wurden von einer Sonderkommission der Esslinger Kriminalpolizei festgenommen, 18 von ihnen sitzen in U-Haft. Alle schweigen zu den Vorwürfen oder führen Alibis auf.

Esslingen: Anklage bald erwartet

Die Anklage der Staatsanwaltschaft wird in wenigen Tagen erwartet. Gerüchte, wonach elf Mitgliedern der Red Legion in dieser Sache gemeinschaftlicher Mord vorgeworfen wird, bestätigt Pressestaatsanwältin Claudia Krauth nicht.

Das jetzt ausgesprochene Verbot stützt sich aber nicht allein auf die Tat in Esslingen. „Die Ermittlungsverfahren gegen zahlreiche Mitglieder, unter ihnen auch Führungspersonen des Vereins, belegen, dass hier schwerste Straftaten geplant, begangen und durch die Vereinsführung geduldet wurden“, wird Innenminister Reinhold Gall zitiert.

Mehrere Auseinandersetzungen mit Black Jackets

Sein Pressesprecher Andreas Schanz nennt die Fälle: Mehrere Gerichtsverfahren am Stuttgarter Landgericht und weitere Vorfälle hätten den Ausschlag für die gestrige Aktion gegeben. Unter anderem waren im Januar 2012 mehrere Vereinsmitglieder nach einem Kneipenüberfall in Ludwigsburg wegen gefährlicher Körperverletzung und Nötigung verurteilt worden. Im vergangenen Oktober erhielten der Präsident und sein Stellvertreter Freiheitsstrafen wegen Nötigung und gefährlicher Körperverletzung.

Hoher Aufwand bis zum Vereinsverbot

Der jüngste Fall ereignete sich vor rund drei Monaten in Ulm, wo mehrere Black Jackets-Mitglieder der Red Legion überfielen – vermutlich aus Rache für den in Esslingen erstochenen Mann. Nach der tödlichen Messerstecherei kurz vor Weihnachten hatte Innenminister Gall Konsequenzen angekündigt, weil kriminelle Banden im Land „wissen sollen, dass wir auf diese Umtriebe die richtigen Antworten haben“. Dass das Verbot erst jetzt ausgesprochen worden ist, begründet sein Ministeriumssprecher Andreas Schanz mit einem dafür notwendigen „langen organisatorischen Vorlauf“. Es dauere, bis die Sachlage „juristisch wasserdicht“ sei, die Mitglieder identifiziert und die behördlichen Zuständigkeiten geklärt seien. Reinhold Gall kündigt an, künftig auch gegen andere kriminelle Rocker- und rockerähnliche Gruppierungen eine „Null-Toleranz-Strategie“ zu fahren.

Verbot der Black Jackets lässt auf sich warten

Doch bei der Bande der Black Jackets, deren Mitglieder schon einige Jahre länger immer wieder durch exzessive Gewaltdelikte aufgefallen sind, lässt ein Verbot weiter auf sich warten. Schanz beteuert, auch diese Gang sei im Visier der Ermittler – und seiner Behörde. Doch es scheint, als reiche das für ein Verbot nötige Belastungsmaterial gegen die besser organisierten und vernetzten sowie räumlich weiter verbreiteten Black Jackets bisher nicht aus.

Der Esslinger Kriminalbeamte Michael Gerg ist mit dem restriktiven Weg, den das Ministerium jetzt geht, „sehr zufrieden“. Der Leiter der ehemaligen Sonderkommission Obertor, die nach der Messerstecherei im Dezember gegründet worden war, empfindet das Verbot als „klare Ansage“ an Banden wie die Red Legion, dass ihr kriminelles Handeln „härteste Konsequenzen“ nach sich ziehe. Es erweitere zudem den Handlungsspielraum der Polizei. Künftig seien er und seine Kollegen nicht mehr darauf beschränkt, der Bande strafrechtlich relevante Taten nachzuweisen. Jetzt könne sofort eingeschritten werden, „wenn ihre Mitglieder auch nur irgendwo auftauchen“.

Versteckte Gewaltandrohung auf Facebook

Auf Facebook erklärte die Jugendbande Mitte Januar, dass sich das Stuttgarter „Chapter“ bereits im Februar 2012 aufgelöst habe. Rivalitäten zu anderen Jugendbands bestünden nicht: „Wenn jemand ein Problem mit uns haben sollte, darf er gerne auf uns zukommen . . .“, heißt es wörtlich in dem sozialen Netzwerk.