So ziemlich jede Regelung darüber, was Fraktionen und Parteien im örtlichen Amtsblatt dürfen oder nicht, ist in Hemmingen jetzt hinfällig – was die örtlichen Parteienvertreter aufregt.

Hemmingen - Der wohl dramatischste Satz, der an diesem Abend fiel, kam von Barbara von Rotberg. „Die Parteiarbeit in den Kommunen wird abgemurkst“, befand die FDP-Rätin sichtlich aufgebracht. Walter Bauer (CDU), nicht minder deutlich, wählte die Begriffe „Blödsinn“, „Humbug“ und „völlig daneben“. Was die Räte im Hemminger Verwaltungsausschuss zu solchen Reaktionen veranlasste, war die Debatte über die Regeln für das Amtsblatt der Gemeinde. Dieses nutzen die Parteien bisher dafür, um von Veranstaltungen zu berichten oder ihre Meinung zu einem bestimmten Sachverhalt kundzutun. In der Zeit vor Wahlen gibt es keine Karenzzeit, im Gegenteil: Auch nicht-örtliche Themen sind dann erlaubt.

 

Das steht in gravierendem Gegensatz zu dem, was die Änderungen in der Gemeindeordnung des Landes vorsehen. Parteien sollen demnach lediglich Veranstaltungen ankündigen dürfen, Berichte bleiben danach den Fraktionen, die im Gemeinderat vertreten sind, vorbehalten. Und vor Wahlen soll gar nicht mehr berichtet werden.

Angst vor Wahlanfechtungen

Die Hemminger Regelungen des Redaktionsstatus’ müssen auch deshalb geändert werden, um möglichen Wahlanfechtungen die Grundlage zu entziehen. Diese wären denkbar, wenn die Karenzzeit vor Wahlen nicht beachtet wird. Wie lange vor einer Wahl die Fraktionen nicht berichten sollen dürfen, um rechtlich auf der sicheren Seite zu sein, ist aber unklar. Die Gemeinde hat sich an Stuttgart orientiert, wo ein Zeitraum von sechs Wochen festgelegt ist.

Nach einer Rücksprache mit dem Innenministerium – das laut der Verwaltung eine Karenzzeit von drei Monaten für „noch vertretbar“ hält – ist in Hemmingen nun von drei Monaten Pause vor Kommunal- und sechs Wochen vor weiteren Wahlen die Rede. Für die Fraktionen bedeutet dies, dass auch ein Bericht über eine Veranstaltung, die nichts mit der jeweiligen Wahl zu tun hat, nicht im Amtsblatt erscheinen darf – etwa ein Bericht über die Fahrradbörse der Freien Wähler. Dieses Beispiel brachte deren Rat Jörg Haspel vor – und stellte gleich den Sinn der ganzen Veranstaltung in Frage, wenn man nicht darüber berichten dürfe.

Informieren – nur wie?

Für die Fraktionen und Parteien stellt sich die Frage, wie sie die Bürger über ihre Anliegen und ihr Tun informieren können. „Die Bürger haben ein Recht, darüber zu lesen“, findet Elke Kogler (SPD). Die Tageszeitungen – denen die Amtsblätter keine Konkurrenz machen dürfen – würden nicht über alles berichten, beklagte Barbara von Rotberg (FDP). Die Änderungen seien „überhaupt nicht demokratisch“.

Auch in anderen Kommunen gibt es in Bezug auf die Redaktionsstatute für die Amtsblätter Handlungsbedarf. In Ditzingen und Korntal-Münchingen soll das Thema auf die Tagesordnung der jeweiligen Gremien gehoben werden, in beiden Orten dürfen bisher auch Parteien zumindest eingeschränkt berichten. Ein Sonderfall ist Gerlingen: Dort ist das eigentliche Amtsblatt, das die Stadt verantwortet, nur ein Teil des „Gerlinger Anzeigers“. Berichte von Parteien und Wählervereinigungen sind im nicht-amtlichen Teil verortet.