Spektakuläre Stunts, markige Kerle, dünne Handlung – die Erfolgsserie „Alarm für Cobra 11“ ist seit Jahrzehnten eine Männerdomäne. Nun kommt die erste Frau auf Augenhöhe ins Team.

Stuttgart - Da schau her, eine Frau am Steuer bei „Alarm für Cobra 11“ – und das nach nur 24 Jahren! Was ist los, RTL? „Deutschlands erste und einzige Actionserie“ gehe „vollkommen neue Wege“, verspricht der Sender: „Ein neues Team, ein neuer Look, erzählerische Vielfalt und facettenreiche Charaktere.“ Die Verantwortlichen für eine der langlebigsten deutschen TV-Serien rütteln also an deren Grundfesten.

 

Nicht nur, weil Erdogan Atalay, der seit Staffel eins im Jahr 1996 in mehr als 370 Folgen den Kommissar Semir Gerkhan spielt, mit Pia Stutzenstein erstmals eine Partnerin auf Augenhöhe erhält. Zu den vier neuen Gesichtern zählt auch der Chef, ein ehemaliger SEK-Beamter, der im Rollstuhl sitzt und nun die Zentrale der Autobahnpolizei leitet, wo neuerdings große Monitore von digitaler Ermittlungsarbeit künden.

Unter Rassismusverdacht

Dass es nur noch selten explosive Action gibt, rührt an den Markenkern der Serie, die mehrheitlich übrigens von Frauen eingeschaltet wird. Dafür wird trendig horizontal, also über mehrere Folgen hinweg erzählt. Nach und nach fließt in Rückblenden ein, wie Gerkhan in der Türkei um die Freiheit seiner Mutter kämpft, die als vermeintliche Drogenkurierin in einem Gefängnis landete.

Mit dem zentralen Handlungsstrang um „Racial Profiling“ bei der Polizei trifft RTL sogar den Nerv der Zeit, zumal es dabei um die neue Hauptfigur geht, um die von Stutzenstein gespielte Vicky Reisinger. Die neue Kommissarin war zuvor in Dortmund stationiert, wo es häufig zu Gewaltübergriffen kam – „immer gegen Verdächtige, die keine Deutschen waren“. So lautet das Gerücht, mit dem Reisinger in der ersten Folge von Kollege Gerkhan konfrontiert wird. Wenn sie „bei dieser braunen Scheiße“ mitgemacht habe, „dann wären wir fertig miteinander“, sagt er. Rassistin will Vicky Reisinger nicht sein, aber mitgemacht hat sie offenbar schon.

Keine Atombomben mehr

Die spektakulären Stunts, mit denen „Alarm für Cobra 11“ auch auf dem internationalen Markt Standards setzte, haben deutlich abgenommen. Die Zeiten, in der jede Folge mehr als eine Million Euro teuer sein durfte, sind bei RTL vorbei. In Folge eins der neuen Staffel segelt noch ein Lkw quer durch den Wald. In Folge zwei gibt es aufregende Bilder von einer Autobahnbrücke und halsbrecherische Stürze aus schwindelnder Höhe. Aber: „Wir entschärfen jetzt beispielsweise keine Atombomben mehr, mit denen wir rückwärts auf einen LKW fahren“, sagt Erdogan Atalay. Die Fälle seien erwachsener und erdiger, die Figuren bodenständiger. Meist sind die Fälle allerdings eher Nebensache, daran ändert sich nicht viel.

„Es ist ein Aufbruch in eine neue Zeit, den wir sobald möglich in 2021 weiter fortführen wollen“, teilt ein RTL-Sprecher mit. Stutzig macht jedoch, dass der Sender den Aufbruch im Sommerloch versendet, während noch in mehreren Bundesländern Ferien sind und grundsätzlich weniger Menschen Fernsehen schauen. Der Grund sei, dass RTL ein „starkes Entertainment-Paket an Erstausstrahlungen“ in einer „Power Woche“ konzentrieren wollte. Den im stetigen Sinkflug befindlichen Einschaltquoten der Langzeitserie, die zuletzt bedenklich auf die Zwei-Millionen-Marke zusteuerten, dürfte das kaum zuträglich sein.

RTL, sechs neue Folgen ab 20. August, jeweils um 20.15