Der Rettungsfonds ESM soll größer und mächtiger werden. Das fordert nicht nur die IWF-Chefin Christine Lagarde. Doch im Bundestag wachsen die Bedenken.

Berlin - Der neue Finanzminister Olaf Scholz (SPD) lässt sich in der Europapolitik noch nicht in die Karten schauen. Als Christine Lagarde, Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), jüngst die Ausweitung des Eurorettungsfonds ESM forderte, reagierte Scholz mit Schweigen. Doch der Druck auf Berlin ist gestiegen. Der Eurorettungsfonds ESM, der den Bürgern Europas 2012 als Notfallfonds angekündigt worden war, soll neue Aufgaben erhalten. Die neue Regierung hat sich im Koalitionsvertrag dazu bekannt, den ESM zum Europäischen Währungsfonds auszubauen. Die Idee stammt vom früheren Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), der den Krisenmechanismus unter der Bedingung ausbauen wollte, dass der ESM zusätzliche Kompetenzen in der Haushaltsüberwachung erhält. Inzwischen konzentriert sich die Debatte aber darauf, wie die „Feuerkraft“ des Fonds erhöht wird. Würde Lagardes Vorschlag umgesetzt, müssten die Euroländer viele Milliarden Euro zusätzlich einzahlen.

 

Ausleihvolumen ist auf 500 Milliarden Euro begrenzt

Der FDP-Haushaltspolitiker Otto Fricke sieht diese Entwicklung mit Sorge. „Es bleibt leider beim Irrglauben, durch immer größere Kanonen dauerhaften Frieden auf den Finanzmärkten zu erreichen“, sagte Fricke unserer Zeitung. „Wenn man der Politik mehr Finanzmittel – und seien es Garantien – zur Verfügung stellt, werden sie leider meist auch genutzt“, meinte Fricke, der 2012 in der schwarz-gelben Koalition selbst an der Errichtung des ESM beteiligt war. Damals versprachen die Eurostaaten den Bürgern, dass die gewaltigen Finanzmittel nur im Krisenfall genutzt werden. Es geht um viel Geld: Das maximale Ausleihvolumen des ESM ist nach den geltenden Verträgen auf 500 Milliarden Euro begrenzt. Um den Fonds schlagkräftig zu machen, gaben die Eurostaaten Garantien ab und zahlten Geld ein. Allein Deutschland garantiert ein Kreditvolumen über 168 Milliarden Euro. Hinzu kommen noch Barzahlungen aus dem Bundeshaushalt von insgesamt 21,7 Milliarden Euro an den ESM – das ist mehr als dem Bildungs- und Forschungsministerium in einem Jahr zur Verfügung steht.

Der ESM ist ein riesiger Geldtopf, der Begehrlichkeiten weckt. Es herrscht kein Mangel an Vorschlägen zur Verwendung. Italien regte an, mit ESM-Mitteln eine europäische Arbeitslosenversicherung zu finanzieren. Diese Idee gilt inzwischen als chancenlos. Viele Fürsprecher hat allerdings der Plan, auf den Fonds zurückzugreifen, falls der Einlagensicherungsfonds in der Bankenunion nicht ausreicht. Davon halten die Liberalen im Bundestag überhaupt nichts. Der ESM diene dem Wohl der Euroländer in der Gesamtheit und keinesfalls dem Schutz einzelner Banken, argumentiert Fricke. Schon nach den geltenden Regeln kann der ESM einzelnen Banken helfen, wie dies im Falle Spaniens passiert ist. Doch der ESM darf bisher nur tätig werden, wenn Mitgliedsstaaten strenge Reformauflagen erfüllen. Den südeuropäischen Staaten sind diese Bedingungen ein Dorn im Auge. Bis Juni wollen sich die Eurostaaten auf erste Reformvorschläge verständigen. Weil die Vorhaben so komplex sind, dürfte bis zur Umsetzung einige Zeit vergehen.

Für den Steuerzahler geht es um viel

Wie viel für den Steuerzahler auf dem Spiel steht, zeigt sich am vorhandenen Fondsvolumen. Der ESM hat bisher an Griechenland, Irland, Portugal, Spanien und Zypern Kredite vergeben. Die meisten Darlehen gingen an Athen. Ende 2017 vergab der ESM 124 Milliarden Euro an Krediten. Damit beträgt die Ausleihkapazität gegenwärtig noch 376 Milliarden Euro. Der IWF meint, dass dieses Volumen für Krisenzeiten nicht ausreicht. Deshalb sollten die Staaten mehr einzahlen. Kritiker warnen aber vor falschen Anreizen: Wenn die Eurozone ihren Mitgliedern signalisiert, dass deren Schwierigkeiten im Ernstfall von der Staatengemeinschaft gelöst werden, könnte das zu neuer Risikofreude führen.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich Spielraum für Zugeständnisse offengehalten. Merkel weiß um die Stimmungslage in ihrer eigenen Fraktion. In den Reihen von CDU/CSU ist das Unbehagen gegen eine Erweiterung des ESM groß. Der Einstieg in die Transferunion müsse vermieden werden, heißt es dort.