Grün-Rot will die Lehrerausbildung reformieren: Künftig könnte es ein gemeinsames Lehramt für alle weiterführenden Schulen geben. Die Opposition sieht bereits den „Tod des Gymnasiums“.

Stuttgart - Es ist unverzichtbar, die Lehrerbildung zu reformieren“, sagt die Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne). Damit alle Schüler ihr Potenzial entfalten könnten müsse die Lehrerbildung weiterentwickelt werden. Vorschläge sollte eine achtköpfige Expertenkommission erarbeiten, die vor einem Dreivierteljahr zum ersten Mal zusammengetreten ist. Sybille Volkholz, die Vorsitzende der Kommission, präsentierte jetzt die Empfehlungen.

 

Bauers Kabinettskollege, der Kultusminister Andreas Stoch (SPD), hatte von der Kommission zudem Anregungen erwartet, welche Auswirkungen der gesellschaftliche Wandel und der Rückgang der Schülerzahlen auf die Lehrerausbildung haben könnte.

Die Kommission macht weitreichende Vorschläge, die sich jedoch an den Entwürfen für andere Bundesländer wie Berlin oder Nordrhein-Westfalen orientieren. Das Staatsexamen soll wegfallen, die Lehramtsstudiengänge sollen zukünftig in das Bachelor/Master-System integriert werden. Schon im Bachelor soll ein Orientierungspraktikum einen Bezug zur Praxis gewährleisten. „Als Beitrag zum gelebten Föderalismus“ blieben die Abschlüsse mit anderen Ländern vergleichbar, wie Sybille Volkholz sagte. Volkholz war in Berlin von 1989 bis 1990 Schulsenatorin.

Alle sollen zehn Semester studieren

Zündstoff birgt die Empfehlung der Wissenschaftler, die Trennung der Lehrämter für Gymnasien sowie für Haupt- und Realschule aufzuheben. Sie schlagen ein gemeinsames Lehramt für die Sekundarstufe I, die bis zur zehnten Klasse dauert, und Sekundarstufe II, die gymnasiale Oberstufe, vor. „Alle Lehrkräfte müssen sowohl berufsvorbereitend als auch mit Blick auf den Hochschulzugang wirken“, sagte Volkholz. Für Grundschulen ist ein eigenes Lehramt vorgesehen. Alle Studiengänge sollten zehn Semester dauern. Bisher studieren Grund-, Haupt- und Realschullehrer in Baden-Württemberg acht Semester. Künftig sollte sich an ein sechssemestriges Bachelorstudium ein viersemestriger Master anschließen.

Die Kommission regt eine Kooperation von Universitäten und Pädagogischen Hochschulen für die Masterphase an. Dazu könnten „professional schools of education“ mit eigenem Fakultätsstatus eingerichtet werden. Bis jetzt studieren in Baden-Württemberg auch die künftigen Haupt- und Realschullehrer an einer der sechs Pädagogischen Hochschulen. Gymnasiallehrer werden an den Universitäten ausgebildet.

Den eigenständigen Studiengang Sonderpädagogik wollen die Wissenschaftler streichen. Stattdessen soll eine sonderpädagogische Grundbildung in alle Lehramtstudiengänge integriert werden, um die Inklusion von Behinderten voranzubringen.

Die Kommission machte keine Vorschläge zur Finanzierung der Reform. Auch nicht zur Bezahlung der Lehrer, die zukünftig unabhängig von der Schule, an der sie unterrichten, die gleiche Ausbildung absolvieren würden. Bis jetzt verdienen Gymnasiallehrer mehr als Lehrer an anderen Schultypen. Kultusminister Andreas Stoch (SPD) betonte, schon heute gebe es „Ungerechtigkeiten in der Besoldung“. Im Rahmen der angeregten Reform der Lehrerausbildung müsse auch über die Bezahlung der Lehrkräfte eine Debatte geführt werden.

Die Opposition tobt: „Tod des Gymnasiums“

In den nächsten Wochen werden die Vorschläge der Kommission im Parlament und in der Regierung diskutiert. „Wir wollen das Für und Wider genau erörtern und den Dialog mit den Verantwortlichen in der Lehrerbildung suchen“, kündigte Stoch an. Für den 7. Mai ist eine Fachtagung geplant. Noch vor der Sommerpause wollen Bauer und Stoch mit ihren Reformvorschlägen ins Kabinett gehen. Bauer sieht in den Vorschlägen „Perspektiven für den Bedarf der Zukunft“. Dass die Empfehlungen „einfach in der Schublade verschwinden“, nannte sie unwahrscheinlich.

Was auch immer geändert wird, die Reform wird dauern. Volkholz rechnet damit, dass es an die zehn Jahre dauern wird, bis eine Reform der Lehrerbildung sich in den Schulen des Landes auswirken wird.

Auch wenn bis jetzt erst Empfehlungen auf dem Tisch liegen, kommt bereits heftige Kritik vom politischen Gegner. Der CDU-Landesvorsitzende Thomas Strobl kritisierte mit Blick auf die von Grün-Rot eingerichteten Gemeinschaftsschulen: „Passend zur Einheitsschule soll es den Einheitslehrer geben.“ Er deutet die Empfehlungen der Kommission als Todesstoß für das Gymnasium. Aussagen von Ministerpräsident Winfried Kretschmann, dass seine Regierung das Gymnasium nicht abschaffen wolle, seien damit als „verlogen und heuchlerisch“ entlarvt. Die FDP schloss sich dieser Kritik an und sprach „von einer Schleifung des Gymnasiums.“ Sie warnte davor, die Vorschläge umzusetzen.

Während die Bildungsgewerkschaft GEW die Empfehlungen als „Startschuss für die wichtige Reform der Lehrerausbildung sieht“, hört der Philologenverband das „Totenglöcklein des Gymnasiums“ schlagen. Der grün-rote „Einheitslehrer“ gefährde den Wohlstand im Hightechland Baden-Württemberg, teilte Landeschef Bernd Saur mit. Volkholz verteidigte ihre Vorschläge gegen diese Kritik. Nicht das Gymnasium sei bedroht; mit ihrer Kommission schlage sie vielmehr den „Einheitslehrer auf Gymnasialniveau“ vor.