Auch nach der informellen Einigung bleibt die Urheberrechtsreform hoch umstritten. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Korrespondenten: Markus Grabitz (mgr)

Brüssel - Die EU passt das Urheberrecht an das Internetzeitalter an. Nach langen Verhandlungen einigten sich das Europaparlament und die Mitgliedstaaten auf die Reform. Die bisherigen Regeln waren 20 Jahre alt. Dadurch waren Geschäftsmodelle, die das Internet digitalen Plattformen bietet, nicht abgedeckt. Der Kompromiss bleibt hoch umstritten.

 

Was wurde beschlossen?

Im Grunde wurde ein digitales Copyright beschlossen. Digitale Plattformen wie Google müssen künftig den Urhebern, also Journalisten, Künstlern, Musikern und Filmern, Geld dafür bezahlen, wenn sie Nutzern auf ihren Seiten Zugang gewähren.

Was ändert sich bei Zeitungsartikeln im Netz?

Bislang stellen Google News und andere Sammler im Netz journalistische Erzeugnisse Nutzern zur Verfügung, ohne dafür Geld zu bezahlen. Künftig sollen sie dies nur tun dürfen, wenn sie vorher die Zustimmung der Verlage eingeholt haben. Die Verlage bekommen mit diesem Leistungsschutzrecht erstmals im EU-Binnenmarkt von 500 Millionen Verbrauchern die rechtliche Basis, um mit den Giganten des Internetzeitalters auf Augenhöhe über eine angemessene Bezahlung zu verhandeln.

Was ändert sich bei Musik und Videos im Netz?

Bislang stellen Youtube und Co. urheberrechtlich geschützte Musik und andere Werke von Kreativen gratis im Netz zur Verfügung. Sie haben keinen Anreiz, mit den Inhabern der Rechte Lizenzvereinbarungen zu schließen. Der Grund ist: Sie können für die Inhalte nicht haftbar gemacht werden. Nur wenn ein Rechteinhaber klagt, müssen sie die Inhalte entfernen. Das ändert sich nun: Die Plattformen können künftig dafür zur Rechenschaft gezogen werden, wenn sie den Zugang zu urheberrechtlich geschützten Werken schaffen. Der Nutzer bleibt wie bisher unbehelligt.

Wie geht das technisch?

Die Plattformen müssen eine Software installieren, die dafür sorgt, dass nur lizenzierte Werke hochgeladen werden. Diese Software ist seit mehr als zehn Jahren am Markt. Kritiker bezeichnen diese Software als Upload-Filter, durch die Zensur im Internet drohe.

Darf der Nutzer Artikel noch teilen?

Das Teilen von Ausschnitten aus Artikeln ist auch in Zukunft nicht verboten. Es kommt auch keine Verlinkungssteuer, wie Kritiker lange behauptet haben. Erlaubt ist zudem weiterhin das Hochladen geschützter kreativer Werke, um Auszüge zu zitieren, Kritik zu üben, sie für Karikaturen oder Parodien zu benutzen. Memes werden daher weiter verfügbar und teilbar sein.

Müssen alle Online-Plattformen zahlen und haften?

Nein, nicht-kommerzielle Anbieter, beispielsweise Online-Enzyklopädien wie Wikipedia oder Open-Source-Softwareplattformen wie Git Hub, sind außen vor. Zudem sollen kleine und junge Anbieter von den Regelungen ausgenommen werden: Plattformen, die weniger als zehn Millionen Euro Umsatz im Jahr machen und weniger als fünf Millionen Nutzer im Monat haben oder jünger sind als drei Jahre, unterliegen den neuen Regeln zum Leistungsschutzrecht nicht.

Wer sind die Gewinner der Regelung?

Die Gewinner sind zum einen die Verlage, die Tageszeitungen und Wochenzeitungen herausbringen. Künftig müssen Plattformen wie Google den Verlegern Gebühren zahlen, wenn sie im Internet Zugang zu ganzen Artikeln gewähren. Die EU will zudem Internetnutzer dazu bringen, journalistische Artikel vornehmlich auf den Internet-Seiten der Zeitungshäuser zu lesen und nicht mehr auf der Plattform wie bisher. Google und Co dürfen künftig nur noch wenige Schlüsselwörter aus einem Zeitungsartikel bringen. Nicht nur die Verlage sollen profitieren. Es ist vorgesehen, dass die Journalisten als Verfasser etwas von den Gebühren bekommen. Wie das funktionieren soll, dafür macht die EU aber keine Vorgaben. Profitieren sollen zudem Musiker, Video-Künstler und andere Kreative, zu deren Arbeiten digitale Plattformen wie Youtube den Zugang verschaffen. Die Plattformen müssen zahlen, wenn auf die Werke widerrechtlich, das heißt ohne dafür zu zahlen oder ohne Zustimmung des Autors, zugegriffen werden kann. Entsprechend haben die Branchenverbände der deutschen Verleger (BDZV) sowie die Gema als Gesellschaft der Musikrechteverwerter den Durchbruch begrüßt.

Wer sind die Verlierer?

Verlierer sind die großen digitalen Plattformen wie Google News, Youtube, Facebook, Twitter und Co. Bislang verdient zum Beispiel die Google-Tochter Youtube Milliarden mit Werbung, die zusammen mit Musikstücken gefragter Künstler abgespielt wird. Dafür arrangiert Youtube Pakete mit bis zu 50 Liedern des Interpreten. Die Musiker gehen bislang leer aus, künftig muss Youtube dafür zahlen. Ähnliches gilt für journalistische Erzeugnisse. Sollte Google damit das Interesse verlieren, auf Zeitungsartikel hinzuweisen, gäbe es eine Lücke, in die Zeitungshäuser und neue Unternehmen hineinstoßen könnten. Die IT-Branchenverbände Bitkom und Eco äußerten sich ablehnend. Google will die Richtlinie nach eigenen Angaben nun eingehend im Detail analysieren und dann über die nächsten Schritte entscheiden. Das werde aber einige Zeit dauern.

Kann die Reform noch scheitern?

Ja. Bisher wurde nur ein Kompromiss auf informeller Ebene gefunden. Beide Co-Gesetzgeber, das EU-Parlament und die 28 Mitgliedstaaten im Rat, müssen noch zustimmen. Normalerweise brennt dabei nichts an. In diesem Fall besteht allerdings ein gewisses Risiko, dass es im Parlament eine Mehrheit gegen die Reform gibt. Die Abstimmungen im Parlament sind immer extrem knapp ausgegangen. Die Gegner der Reform mobilisieren bereits für Demonstrationen. Es ist nicht vorherzusagen, wie die Abstimmung im Parlament, die in den nächsten Wochen stattfinden soll, ausgeht.