Das Scheitern einer Reform des Wahlrechts für den Bundestag erklärt sich auch aus der Sorge der Parteien um ihre Pfründe, meint StZ-Autor Armin Käfer.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Stuttgart - Die Qualität der Politik wächst keineswegs mit der Größe der Parlamente. Sonst wären Länder wie Japan oder Indien unregierbar. Dort gibt es deutlich weniger Volksvertreter als bei uns im Bundestag. Dem ergeht es wie vielen seiner Wähler: Er nimmt stetig zu. Das ist eine der großen Tücken des geltenden Wahlrechts, wenn auch nicht die schlimmste. Zu den Wesensmerkmalen der Demokratie zählt der Umstand, dass die Bürger verstehen sollten, nach welchen Regeln sie funktioniert. Das ist beim Wahlrecht enorm erschwert. Das Verfahren, nach dem Stimmen in Mandate umgemünzt werden, ähnelt einer Geheimwissenschaft.

 

Deshalb wäre es wünschenswert gewesen, wenn die Abgeordneten noch einmal dem Appell ihres scheidenden Präsidenten Norbert Lammert gefolgt wären. Die nun vertagte Wahlrechtsreform ist wohl auch an der Sorge um die eigenen Pfründe gescheitert: Je kleiner das Parlament, umso schwieriger wird es, dort einen Sitz zu ergattern. Solche Motive dürfen allerdings kein Maßstab sein, wenn es darum geht, den Wählerwillen in Politik zu übersetzen. Für diese Unterlassungssünde der Fraktionen hat schließlich der Steuerzahler aufzukommen. Auch Investitionen in die Demokratie bedürfen einer Rechtfertigung. Das gilt für überzählige Parlamentssitze ebenso wie für überzogene Politikerpensionen.