Der Präsident des Deutschen Bundestags Norbert Lammert hält das Wahlrecht für zu wenig durchschaubar. Er will das Parlament zudem nur noch alle fünf Jahre wählen lassen.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Berlin - Norbert Lammert bleibt sich treu. Schon am 25. Oktober 2013, eben mit großer Mehrheit zum Präsidenten des Bundestags gewählt, machte sich der CDU-Mann für eine neuerliche Reform des Wahlrechts stark. Ihm ist vor allem das komplizierte Verfahren ein Dorn im Auge, nach dem aus den Stimmen die Zahl der Sitze im Parlament ermittelt wird. „Nicht einmal eine Handvoll Abgeordneter“ so Lammert, „ist in der Lage, unfallfrei die Mandatsberechnung zu erklären.“

 

Auf Verlangen des Bundesverfassungsgerichts hatte der Bundestag das Wahlrecht zuletzt 2012 geändert. Stein des Anstoßes waren damals die sogenannten Überhangmandate. Sie ergeben sich aus dem zweigleisigen Wahlverfahren. Wenn eine Partei aufgrund der Erststimmen mehr Sitze im Bundestag erobert, als ihr nach dem Verhältnis der Zweitstimmen zustehen würden, dann bleiben ihr solche Sitze als Überhangmandate erhalten. Die Richter in Karlsruhe hatten eigentlich angeregt, die Zahl dieser Überhangmandate auf 15 zu begrenzen. Nach der unter den Bundestagsparteien errungenen Novelle von 2012 werden die Überhangmandate jetzt durch Ausgleichsmandate aufgewogen. Bei der jüngsten Wahl führte das dazu, dass vier Überhangmandate 29 Ausgleichsmandate notwendig machten. Somit sitzen im Bundestag jetzt 631 Abgeordnete statt der eigentlich vorgesehenen Zahl von 598. Durch das Verfahren könnte das Parlament aber auch auf 650 oder gar mehr als 700 Köpfe anwachsen.

Wahlperiode verlängern, aber mehr direkte Demokratie?

Lammerts Reforminitiative zielt auf einen weiteren Punkt. Der Bundestagspräsident möchte die Wahlperiode von vier auf fünf Jahre verlängern. Das hatte er schon vor geraumer Zeit einmal gemeinsam mit dem damaligen SPD-Fraktionsvorsitzenden Peter Struck vorgeschlagen. Lammert glaubt, dass es im Bundestag „seit langem eine haushohe virtuelle Mehrheit“ für seinen Vorschlag gibt, sagte er in einem Interview mit der „Welt“. Fünfjährige Legislaturperioden haben auch das Europaparlament und die meisten Landtage.

Im Unterschied zu anderen Abgeordneten ist Lammert nach eigener Auskunft aber „nicht dafür, im Gegenzug Plebiszite auf Bundesebene einzuführen“. Dies würde „die Architektur unseres politischen Systems nachhaltig verändern“, warnt er. Dagegen sei „eine längere Legislaturperiode eine schlichte Frage der Zweckmäßigkeit, keine Grundsatzfrage“.

Die ständigen Wahlkämpfe schränkten „die Gestaltungsmöglichkeiten des Bundestages faktisch erkennbar ein“, meint Lammert. Bis sich das Parlament arbeitsfähig etabliere, alle Gremien eingerichtet habe, sei nach jeder Wahl ein halbes Jahr vorbei. Das letzte Jahr einer Legislaturperiode stehe dann im Zeichen des Wahlkampfes. Von den vier Jahren sei die parlamentarische Arbeit nur „zweieinhalb Jahre lang von solchen Rücksichten nicht betroffen“. Vertreter aller Fraktionen zeigten sich aufgeschlossen für eine längere Legislatur. SPD, Linke und Grüne machten sich im Gegenzug für mehr direkte Demokratie auf Bundesebene stark, um die Einwirkungsmöglichkeiten der Bürger zu erhalten.