Im Parlament sind Frauen mit einem Anteil von 18 Prozent deutlich unterrepräsentiert. Das wollen die Regierungsfraktionen ändern.

Stuttgart - Die Mehrheitsfraktionen beabsichtigen, noch vor der Mitte der Legislatur das Wahlrecht zu ändern. Die Konturen der Reform sind allerdings noch unscharf. "Wir wollen uns nicht vorschnell festlegen", sagt Hans-Ulrich Sckerl, der parlamentarische Geschäftsführer der Grünen. Auch die Opposition soll in das Projekt eingebunden werden. "Wir gehen offen in die Gespräche", verspricht Sckerl.

 

In ihrer Koalitionsvereinbarung hatten SPD und Grüne vereinbart, das Landtagswahlrecht so zu gestalten, "dass jede Stimme gleichviel wert ist". Dieses sei, so sagt SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel, bis jetzt nicht gewährleistet. Er verweist auf Schleswig-Holstein, wo CDU und FDP bei der Wahl 2009 im Landesparlament zwar eine Mehrheit von einem Mandat erlangt hatten, die Opposition jedoch insgesamt mehr Stimmen erhielt. Das hing damit zusammen, dass die CDU alle 40 Wahlkreise gewann, zugleich aber bescheidene 31,5 Prozent bei den Zweitstimmen erhielt, weshalb viele Überhangmandate anfielen, die nur unvollständig mit Ausgleichsmandaten für die übrigen Parteien ausgeglichen wurden. Das Landesverfassungsgericht kippte das Wahlgesetz, weshalb in Kiel vorzeitig gewählt werden muss.

Systematische Bevorzugung der CDU

Ähnliches wäre auch in Baden-Württemberg möglich, weil die CDU als stärkste Partei regelmäßig Überhangmandate erzielt, die dadurch zustande kommen, dass sie mehr Direktmandate gewinnt, als ihr prozentuales Ergebnis im Land hergibt. Die anderen Parteien erhalten dafür Ausgleichsmandate, die in den vier Regierungsbezirken getrennt ermittelt werden. Grüne und SPD erkennen in der konkreten Anwendung des Ausgleichsverfahrens eine systematische Bevorzugung der CDU.

Die entscheidende Stellschraube liegt in der Regelung, dass auf die Partei mit den Überhangmandaten stets der zuletzt zugeteilte Sitz entfällt. Dies kann in allen vier Regierungsbezirken der Fall sein, was einen vierfachen Vorteil für die stärkste Partei bedeutet. Dieser Effekt ließe sich durch eine landesweite Auszählung drastisch reduzieren, was aber dazu führe, dass etwa die SPD dort, wo sie noch stark ist, stärker würde, und dort, wo sie schwach ist, noch schwächer würde.

Mehr Frauen ins Parlament

Es gibt aber noch einen zweiten Grund, weshalb das Landtagswahlrecht reformiert werden soll. Der Frauenanteil im neuen Parlament liegt bei gerade einmal 18 Prozent - niedriger noch, als er in der vergangenen Legislatur war (knapp 24 Prozent). "Unser Ziel ist, mehr Frauen ins Parlament zu bringen", sagt der SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel.

Und der Grünen-Abgeordnete Sckerl spricht von einem "Armutszeugnis" und befindet: "Das Parlament sollte auch ein Stück weit Spiegel der Gesellschaft sein. Das sei auch eine Frage der Geschlechtergerechtigkeit. Die Lösung könnte laut Sckerl darin liegen, eine Landesliste wie bei der Bundestagswahl einzuführen. Bis jetzt verfügt der Wähler bei der Landtagswahl über nur eine Stimme. Es gibt keine Listenmandate, sondern Zweitmandate, die nach prozentualer Verteilung der Erststimmen vergeben werden.

Dagegen erhebt SPD-Fraktionschef Schmiedel jedoch Bedenken. "Die Lösung kann Liste heißen, muss aber nicht. Seine Befürchtung: die Liste "führt zur Gruppenbildung in der Partei". Bei der Listenaufstellung stützen oder befehden sie sich gegenseitig - Linke, Rechte, Netzwerker, Frauen, Männer, Junge, Alte. Das sei nicht gut, meint Schmiedel. Der frühere Innenminister Frieder Birzele hatte vor einigen Jahren eine "kleine Liste" vorgeschlagen. Nach diesem Konzept würde die Zahl der Direktmandate von 70 auf 50 verringert. Dazu kämen 50 Zweitmandate sowie weitere 20 Listenmandate. Nun soll erst einmal eine Arbeitsgruppe eingesetzt werden.