Die oberste Prüfbehörde kritisiert krasse Versäumnisse beim Schienenkonzern Deutsche Bahn. Das mache besonders Stuttgart 21 deutlich.
Berlin - Der Bundesrechnungshof stellt der Bundesregierung ein verheerendes Zeugnis für ihre Bahnpolitik aus und fordert tief greifende Reformen für besseren Schienenverkehr. „Der Bund und die DB AG haben die Kernziele der vor 25 Jahren angestoßenen Bahnreform verfehlt“, sagte der Präsident der obersten Prüfbehörde, Kay Scheller, anlässlich der Übergabe eines Sonderberichts an den Bundestag in Berlin. Die Ziele, deutlich mehr Verkehr auf die Schiene zu bringen und den Staat finanziell zu entlasten, seien verfehlt worden, bilanziert der Prüfbericht. Stattdessen gebe es viele Fehlentwicklungen: Die Deutsche Bahn AG verliere Marktanteile, habe Qualitätsprobleme und investiere zu viel Geld im Ausland. Zudem habe der 1994 entschuldete Konzern 20 Milliarden Euro Nettoschulden aufgehäuft.
Die Regierung vernachlässigt ihren Verfassungsauftrag
Die Bundesregierung schaue dabei als Alleineigentümer der Bahn „seit Jahren tatenlos zu“, kritisiert Scheller. Damit vernachlässige die Regierung ihren Verfassungsauftrag, für funktionierenden Schienenverkehr im Interesse des Allgemeinwohls zu sorgen. Zudem habe die Regierung „durch eigene Entscheidungen und Versäumnisse“ wesentlich zur jetzigen Misere beigetragen.
Als Beispiel für Fehlentwicklungen nennt der Rechnungshof ausdrücklich Stuttgart 21. Das Projekt sei „eine Fehlinvestition“ und auch nach DB-Angaben unwirtschaftlich. Der klamme Konzern müsse dafür nach jetzigem Stand insgesamt 5,1 Milliarden Euro allein dafür aufbringen. Dieses Geld fehle an anderer Stelle. Es sei „nicht nachvollziehbar“, dass der Bund zehn Jahre nach dem abgebrochenen Börsengang „kein Konzept hat, was für eine Bahn und wie viel Bahn er haben möchte““, kritisiert Scheller.
Die DB-Auslandsgeschäfte seien nicht vom Verfassungsauftrag gedeckt. Der Bundesrechnungshof fordert daher, dass die Bahn die international tätigen DB-Unternehmen Arriva (55 000 Mitarbeiter) und Schenker (72 000 Mitarbeiter) komplett verkaufen und die Einnahmen für besseren Schienenverkehr in Deutschland einsetzen sollte. Für ihren Erwerb hatte die Bahn rund 5,4 Milliarden Euro ausgegeben und sich verschuldet.
Hofreiter: Nicht alles Lutz in die Schuhe schieben
Der Fraktionschef der Grünen, Anton Hofreiter, hat die Bundesregierung davor gewarnt, Bahnchef Richard Lutz die Schuld für die Krise des größten Staatskonzerns zu geben. „Mein Eindruck ist, dass die Regierung ihre politische Verantwortung für die Bahn-Krise auf den Konzern abschieben will und jetzt dafür einen Sündenbock im Management sucht. Ich finde das ziemlich armselig, um nicht zu sagen schäbig.“
Die Bahn hat nach einem erneuten Treffen mit Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) am Donnerstag ein Maßnahmenpaket präsentiert, das Fortschritte bei Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit bringen soll. Konkrete Verbesserungen sollten „schon in den kommenden Monaten“ erreicht werden, sage Bahn-Chef Lutz.