Der Landesumweltminister Franz Untersteller (Grüne) will eine neue Phase der Energiewende einläuten. Die Idee: Den Strompreis senken und Benzin und Heizöl verteuern. Verbraucher sollen dabei nicht mehr belastet werden als bisher.

Stuttgart - Der baden-württembergische Umweltminister Franz Untersteller sieht die Zeit für „die nächste Phase der Energiewende“ gekommen. In einem Diskussionspapier, das unserer Zeitung vorliegt, skizziert der Grüne eine Reform des Energiemarktes mit dem Ziel, die Stromkosten zu senken und zugleich den Einsatz erneuerbar erzeugten Stroms im Wärme- und Verkehrsbereich zu fördern. Zugleich wolle er die Diskussion über Ziele und Maßnahmen der Energiewende wieder auf eine sachliche und konstruktive Ebene heben, so Untersteller.

 

Die Strompreise und hier insbesondere die auf den Verbrauch von elektrischer Energie zu entrichtenden Umlagen hätten in den vergangenen Jahren eine wachsende öffentliche Aufmerksamkeit erfahren, schreibt der Minister in dem Papier. Im Zentrum stehe insbesondere die EEG-Umlage, die von 2010 bis 2014 deutlich gestiegen sei. Intransparente Ausnahmeregelungen und die Komplexität der Umlage machten es „ihren Gegnern leicht, die Energiewende insgesamt zu diskreditieren.“ Wer der Energiewende neuen Schwung verleihen wolle, müsse hier ansetzen.

Untersteller will den alten Zopf Stromsteuer abschneiden

Zugleich erfordere es der Klimaschutz, Emissionen aus fossilen Brennstoffen in den kommenden Jahrzehnten drastisch zu reduzieren und Strom im Wärme- und Verkehrssektor stärker zu nutzen. Da aber fossile Energieträger wie Öl und Erdgas deutlich weniger mit umwelt- und klimaschutzbedingten Steuern, Abgaben und Umlagen belastet würden als Strom, bestünden erhebliche Wettbewerbsverzerrungen.

Konkret schlägt Untersteller drei Maßnahmen vor. Erstens will er die Stromsteuer auf das europarechtlich mögliche Mindestmaß von 0,1 Cent pro Kilowattstunde reduzieren. Die Steuer wurde 1999 eingeführt und bis 2003 stufenweise erhöht. Seither beträgt sie 2,05 Cent pro Kilowattstunde. Ursprünglich sollte sie angesichts der so kurz nach der Liberalisierung fallenden Strompreise Investitionen in Energieeffizienz attraktiver machen und zugleich der Rentenkasse Einnahmen bescheren. Mittlerweile habe sich die Steuer überlebt, so Untersteller. Mit ihrer Abschaffung ließen sich die Strompreise um mehr als sechs Milliarden Euro reduzieren.

Die EEG-Umlage soll um fast die Hälfte sinken

Zum Zweiten will der Grüne die EEG-Umlage, die derzeit bei 6,792 Cent pro Kilowattstunde liegt, um 3,5 Cent senken. Dazu soll einerseits ein Betrag von zwei Cent als Innovations- und Entwicklungskosten aus der Umlage genommen werden, andererseits will Untersteller die Entlastungen energieintensiver Unternehmen nicht länger von den anderen Stromkunden finanzieren lassen. Das Einsparpotenzial beziffert er insgesamt auf zwölf Milliarden Euro. Gemeinsam mit der Stromsteuer geht es also um 18 Milliarden Euro Entlastung der Strompreise. Doch wer soll die Lücke in der Rentenkasse füllen und die Kosten, die bis jetzt in der EEG-Umlage stecken, decken? Denn dass energieintensive Unternehmen eine Entlastung brauchen, hält Untersteller durchaus für sinnvoll. Seine Antwort: „Schmutzige Energie muss saubere Energie finanzieren“ oder anders ausgedrückt: Der Betrag soll auf den Verbrauch von Heizöl, Erdgas und Kraftstoffen umgelegt werden.

Vorstellen könnte Untersteller sich das in zwei Varianten: Entweder man erhöht die Energiesteuersätze für Kraft- und Heizstoffe so, dass darin ein Kohlendioxidpreis von 50 Euro pro Tonne abgebildet wird. Die Benzin-, Diesel und Heizölpreise würde das um zwölf bis 13 Cent pro Liter erhöhen, die Megawattstunde Erdgas stiege um zehn Euro und der Liter leichtes Heizöl um 13 Cent, rechnet er vor. Dies sei „im Rahmen der marktbedingten Preisbewegungen, die wir in den vergangenen Jahren erlebt haben“. Ein Preis von 1,49 Euro für einen Liter Benzin läge „immer noch deutlich unter dem Preisniveau“ von 2012 oder 2014.

Kritik am europäischen Emissionsrechtehandel

Oder aber die Regierung vereinheitlichte die Ökosteuersätze alternativ so, dass auf alle Heizbrenn- und Kraftstoffe ein einheitlicher Kohlendioxidpreis von knapp 90 Euro pro Tonne erhoben werden würde. Dies würde bedeuten, dass die zusätzliche Belastung auf Kraftstoffe geringer ausfiele, während der Wärmesektor stärker belastet würde. Konkret rechnet Untersteller in dieser Variante mit Preissteigerungen von sechs beziehungsweise acht Cent pro Liter Benzin und Diesel, und mit 13 Euro mehr für die Megawattstunde Erdgas beziehungsweise plus 18 Cent pro Liter leichtes Heizöl.

Insgesamt solle „der Reformansatz aufkommensneutral gestaltet werden, so dass es in Summe nicht zu einer Mehrbelastung der Verbraucherinnen und Verbraucher“ komme. Deshalb müsse der Reformvorschlag mit Ausgleichsmaßnahmen ergänzt werden, so Untersteller. Denkbar sei etwa eine Entlastung niedriger Einkommen sowie höhere Transferleistungen für Erwerbslose. Auch auf den Umstand, dass die Kraft- und Brennstoffe deutlich stärker belastet würden, als es bei fossilen Energieträgern der Fall ist, die vom europäischen Emissionsrechtehandel betroffen sind, geht Untersteller ein: „Das ist höchst misslich, kurzfristig jedoch nicht zu ändern“, konstatiert er. „Diese fehlende Balance ist ein weiteres Signal dafür, dass das europäische CO2-Handelssystem gegenwärtig alles andere als in einer guten Verfassung ist.“ Der Preis für eine Tonne Kohlendioxid liegt derzeit bei knapp acht Euro.