Die Gemeinde Remshalden setzt ein Infoblatt der Unfallkasse für den Heimweg von Kindertagesstätten äußerst strikt um, andere Städte sehen das lockerer – der Versicherer relativiert seine Handreichung.

Remshalden - Diese neue Regelung hat einige Eltern in Remshalden auf die Palme gebracht: Seit diesem Kindergartenjahr ist einheitlich geregelt, dass die Kinder nicht mehr alleine nach Hause geschickt werden dürfen. Auch eine Unterschrift der Eltern reicht der Kommune nicht mehr aus. Ausnahmen gibt es nur ein halbes Jahr vor Schuleintritt.

 

Mütter erbost über Regelung: Schwachsinn!

In einer lokalen Facebook-Gruppe machen sich darüber verärgerte Mütter Luft: „Da macht es sich unsere Gemeinde aber einfach, einfach ein Verbot auszusprechen“, postet eine Mutter. Eine andere versteht diesen Schritt ebenfalls nicht: „Finde es auch Schwachsinn. Manche wohnen direkt nebenan und da muss immer jemand direkt kommen zum Abholen.“ Eine andere Frau überlegt, ob eine Unterschriftenliste sinnvoll sein könnte.

Anlass für die neue Regelung in Remshalden ist ein Infoblatt der Unfallkasse Baden-Württemberg (UKBW), das die Verwaltung in diesem Jahr erreicht hat. Darin listet die Versicherung Fragen und Antworten zur Aufsicht auf dem Heimweg von Kindergartenkindern auf. Dort steht unter anderem, „dass in der Regel die Aufsichtspflicht verletzt wird, wenn einem Kindergartenkind das Zurücklegen des Weges zum oder vom Kindergarten ohne Aufsicht oder in Begleitung einer hierfür ungeeigneten Person gestattet wird.“ Gefolgt von dem Hinweis, dass Erzieherinnen haftbar gemacht werden können, wenn einem Kind auf dem Heimweg etwas passieren sollte.

Bürgermeister: Kommune kann nicht anders handeln

Dieses Risiko war der Gemeinde Remshalden zu hoch. „Wir sind überzeugt, dass es wichtig ist, zu Fuß den Weg zum und vom Kindergarten zu bewältigen“, sagt der Bürgermeister Reinhard Molt. Doch nach den Hinweisen des Versicherers könne die Kommune nicht anders handeln und müsse die Regeln ändern: „Wir stecken in diesem Dilemma“, so Molt. Für die Eltern habe er natürlich Verständnis und sei im Dialog mit dem Gesamtelternbeirat (GEB). Dieser wird Anfang November bei seiner Sitzung über die Problematik reden – zuvor will die Vorsitzende allerdings keine Stellungnahme abgeben. Die Gemeinde will sich derweil weiter um das Thema kümmern und etwa in den umliegenden Kommunen nachfragen, wie dort der Heimweg geregelt ist. Dann würden die eigenen Regeln noch einmal überprüft.

Nach den Recherchen unserer Zeitung reicht es zum Beispiel in Schorndorf nach wie vor aus, wenn die Eltern eine Vollmacht unterschreiben. Dann dürfen die Kinder alleine nach Hause gehen. In Weinstadt gibt es seit Jahren Regeln, die sich an dem Infoblatt der UKBW orientieren, jedoch nicht so rigoros sind wie in Remshalden: Die Kinder müssten zwar in die Obhut einer geeigneten Person – die mindestens zwölf Jahre alt sein muss – übergeben werden. Aber: „Ausnahmen orientieren sich am Kindeswohl“, so ein Stadtsprecher. Damit ein Kind alleine den Heimweg vom Kindergarten antreten darf, müsse zum einen eine schriftliche Erklärung der Eltern vorliegen, auch das Fachpersonal müsse seine Zustimmung geben. Dabei werde der Entwicklungsstand, die Art des Weges und die Begleitung des Kindes berücksichtigt.

Esslingen: Schriftliche Erklärung der Eltern

Die Stadt Esslingen hat diesen Punkt in ähnlicher Weise in ihrer Benutzungsordnung der Kindergärten geregelt, der Bestandteil des Betreuungsvertrages ist. Dort steht, dass die Eltern zum einen schriftlich erklären müssen, ob das Kind alleine nach Hause gehen darf. „Hierbei bedarf es zusätzlich der Zustimmung der Leitung. Die Leitung kann ihre Zustimmung, wenn es zum Wohl des Kindes ist, auch kurzfristig zurücknehmen“, heißt es in der Ordnung. Für die städtischen Kitas in Ludwigsburg gelten ähnliche Regeln. Dort können die Eltern mit einer Unterschrift auf einem Formblatt erklären, dass ihr Kind alleine nach Hause gehen darf. Ein Veto-Recht der Erzieherin wird nicht erwähnt.

Die Unfallkasse Baden-Württemberg wundert sich indessen über die Reaktion der Gemeinde Remshalden auf das Infoblatt: „Wir haben seit vielen Jahren immer wieder Anfragen zum Heimweg von Kita-Kindern“, sagt Jan Dunzweiler von der Abteilung Recht und Regress. In dem Infoblatt, das die UKBW im Dezember 2017 herausgegeben und auch zum Download im Internet zur Verfügung gestellt hat, sollten nur die gängigen Fragen übersichtlich beantwortet werden. „Dass manche Kommunen nun pauschal verbieten, dass die Kinder alleine nach Hause gehen, war eigentlich nicht unsere Intension“, so Dunzweiler. Manche würden nun das Haftungsschwert über sich schweben sehen. Dabei werde eine Erzieherin nur bei grob fahrlässiger Handlung haftbar gemacht, betont er.