Im Juni 2024 attackieren Jugendliche eine Familie, einer verletzt die Ehefrau mit einem Messer. Das Ehepaar soll nun dafür bestraft werden, dass es sich zur Wehr gesetzt hat.

Familie/Bildung/Soziales: Hilke Lorenz (ilo)

Als sich Michaela Reuter im August letzten Jahres für ein Foto auf die Regenbogenbank vor der katholischen St. Peter-Kirche in Bad Waldsee setzte, dachte sie eigentlich, alles würde vielleicht doch noch gut werden. Sie und ihre Frau hatten Anzeige erstattet gegen die jugendlichen Angreifer, die am 29. Juni das Haus der Familie mit Eiern beworfen hatten. Und auch gegen den Angreifer, der im weiteren Laufe des Abends einen Motorradhelm tragend aufgetaucht war und Michaela Reuters Ehefrau, als sie ihn vom Grundstück verdrängen wollte, mit einem Survivalmesser an der Stirn verletzte. Schon die Tage vorher war es immer wieder zu Klingelstreichen, Eierwürfen und Beleidigungen wie „Schwuchtel“ an der Haustür gekommen. Unsere Zeitung berichtete damals.  

 

Die Regenbogenfahne an der Fassade wie auch das Leben als Regenbogenfamilie hatten die Gruppe Jugendlicher offenbar zum Anlass genommen, das Anwesen und damit auch dessen Bewohner zu attackieren und zu drangsalieren. Michaela Reuter (47) hatte sich in der bestehenden Ehe mit zwei Kindern entschieden, vom Mann zur Frau zu werden. Und lebt das auch öffentlich. Hinter den Übergriffen vermutete das Ehepaar die immer gleichen Jugendlichen.


Erfolglose Suche nach dem Täter

Damit, dass die Lage aus ihrer Sicht Monate später so eskalieren würde, hatte sie nicht gerechnet. Denn die Regenbogenbank vor der Kirche ist inzwischen durch Vandalismus zerstört. Und „mehr als überraschend“ flatterten beiden Ehepartnern Ende Mai dann auch noch Strafbefehle in Höhe von 7 000 beziehungsweise 4 000 Euro ins Haus, als Folge ihrer Reaktion auf die Attacken vor fast einem Jahr auf sie und ihr Haus. Beide haben sich danach der vorsätzlichen Körperverletzung und der versuchten Freiheitsberaubung schuldig gemacht.

Fünf Zeugen – vier Jugendliche und einen Polizeibeamten – listet der Strafbefehl auf. Michaela Reuter und ihre Frau haben durch ihre Anwälte beim Amtsgericht Bad Waldsee jeweils Einspruch gegen die Strafbefehle eingelegt. Die Ermittlungen gegen den noch immer unbekannten Jugendlichen, der Michaelas Frau mit einem Messer an der Stirn verletzte, sind bisher erfolglos verlaufen, teilt eine Sprecherin der Ravensburger Staatsanwaltschaft mit. Die Verletzung musste Reuters Angaben zufolge mit sieben Stichen im Krankenhaus in Ravensburg genäht werden.

Fünf Zeugen gegen Ehepaar

Was war an diesem Abend geschehen? Vor der Messerattacke hatten beide Ehepartner nach den wiederholten Attacken versucht, die Angreifer auf eigenen Faust aufzuspüren, berichtet Reuter. Das scheint ihnen nun zum Verhängnis zu werden. Der Plan war, so schildert es Reuter, die Jungs auf einem Supermarktparkplatz zu stellen und einen von ihnen so lange festzuhalten, bis die Polizei vor Ort ist. So wollten sie in Erfahrung bringen, wer der Messerangreifer war. Was ihnen aber nicht gelungen sei. Die Täter seien ihnen entwischt. Im Strafbefehl ist nun von Festhalten und einem Schlag mit der flachen Hand ins Gesicht die Rede.

Durch den Einspruch der Reuters wird es zu einer Verhandlung vor dem Amtsgericht kommen, wo die Geschehnisse des Abends noch einmal erörtert und vielleicht ja auch in eine Reihe mit den sich über einen längeren Zeitraum erstreckenden queerfeindlichen Attacken gestellt werden. Die Kirchengemeinde versichert in einer Mail, Bad Waldsee werde bunt bleiben und die Regenbogenbank, die zwischenzeitlich auch zerstört worden war, wieder aufgestellt werden. Der Oberbürgermeister Matthias Henne schreibt zum Vandalismus, die Stadtverwaltung dulde ein solches Verhalten in keinster Weise und distanziere sich von solch unüberlegten Taten. „Bad Waldsee ist weltoffen, bunt und zukunftsgewandt“, so der OB.

Keine Zukunft in Deutschland

Michaela Reuter berichtet davon, dass dieselben Jugendlichen noch immer feixend an ihr vorbeilaufen. Für sie ist das Maß des Erträglichen erreicht. Sie arbeitet inzwischen in der Schweiz und pendelt nur an den Wochenenden ins Oberschwäbische. Wenn die beiden Kinder die Schule beendet haben, will sie Bad Waldsee und auch Deutschland endgültig den Rücken kehren.