Angesichts der Corona-Krise mehren sich die Stimmen, die mehr Investitionen, mehr Kaufkraft und Steuersenkungen fordern. Union und SPD beraten auf einem Koalitionsgipfel am Sonntag darüber, wie sie die Konjunktur stützen können.

Berlin - Als Hausaufgabe für den Koalitionsausschuss an diesem Sonntag haben sich die Spitzen von Union und SPD Ende Januar selbst aufgegeben, über Wege zur Stärkung des Wirtschaftsstandortes Deutschland nachzudenken. Besondere Dringlichkeit bekommt das Thema jetzt durch das Coronavirus: Die internationale Ausbreitung der Krankheit belastet zunehmend die deutschen Unternehmen, CSU-Chef Markus Söder hält daher ein Konjunkturprogramm aus Investitionen sowie niedrigeren Energiepreisen und Unternehmenssteuern für erforderlich. Weitgehend einig sind sich die Regierungsparteien, dass es bis Sonntag Antworten auf diese ohnehin diskutierten Strukturfragen geben soll. Die Corona-Krise erhöht den Handlungsdruck.

 

Unionsfraktionsvize Jung gegen „Strohfeuer“

„Für die kurzfristigen Schwierigkeiten, die nun mit dem Coronavirus auf uns zukommen könnten, müssten unsere Unternehmen nach einer langen Phase der Hochkonjunktur gut gerüstet sein“, sagt Wirtschaftsstaatssekretär Thomas Bareiß (CDU). „Sollte das Coronavirus einen längeren Zeitraum anhalten, ist die Entwicklung neu zu beurteilen.“ Um die wirtschaftlichen Auswirkungen zu begrenzen, stünden bereits heute Förderinstrumente bereit, insbesondere das Kurzarbeitergeld oder Betriebsmittelkredite durch die KfW können Bareiß zufolge bei kurzfristigen Liquiditätsschwierigkeiten zum Einsatz kommen. „Das Strohfeuer eines kurzfristigen Konjunkturprogramms ist dagegen derzeit nicht die passende Antwort“, meint auch der für den Haushalt zuständige Unionsfraktionsvize Andreas Jung: „Wir müssen unabhängig von der aktuellen Lage die zur Stärkung der Wirtschaft notwendigen strukturellen Reformen kraftvoll voranbringen.“

Grüne: Wir haben keinen Nachfrage-Schock

Die oppositionellen Grünen raten mit Blick auf die Corona-Krise ebenfalls zur Zurückhaltung. „Jetzt ist noch nicht der Zeitpunkt für große Konjunkturprogramme“, sagt der Grünen-Wirtschaftspolitiker Danyal Bayaz. „Wir haben noch keinen klassischen Nachfrageschock, sondern Brüche in Wertschöpfungsketten. Leute fragen sich außerdem, ob sie unbesorgt zur Arbeit oder ihre Kinder sicher zur Schule gehen können. Diese Verunsicherung lässt sich nicht einfach mit zusätzlicher Kaufkraft auflösen.“

Die SPD will unabhängig vom Coronavirus einen drohenden Konjunktureinbruch durch eine Stärkung der Kaufkraft hierzulande bekämpfen. Die Binnenwirtschaft sei im letzten Jahr die tragende Säule des Wachstums in Deutschland gewesen, sagte SPD-Parlamentsgeschäftsführer Carsten Schneider. „Diesen Weg wollen wir weitergehen und haben auch deshalb vorgeschlagen, die Abschaffung des Soli für über 90 Prozent der Steuerzahler auf den 1. Juli vorzuziehen.“

„Entlastungen werden nicht an der Union scheitern“

Nach geltendem Beschluss fällt der Soli für den Großteil der Steuerzahler erst Anfang 2021 weg. Nachdem die Union den Vorschlag lange abgelehnt hatte, zeichnet sich nun eine Annäherung ab. Zwar nannte Fraktionsvize Jung die technische Umsetzbarkeit komplex und forderte, Finanzminister Olaf Scholz (SPD) müsse erst klären, ob die in Rede stehenden 17 Milliarden Euro zur Verfügung stehen. Jung sagte aber auch: „Entlastungen werden nicht an der Union scheitern.“

Hauptziel der Union für den Koalitionsgipfel ist eine Senkung der Energiepreise. CDU-Fraktionsvize Jung pocht außerdem auf eine Entlastung des Mittelstands und Verbesserungen für Familienunternehmen. Das könnte ein erster Schritt hin zu einer umfassenden Unternehmenssteuerreform sein. In Koalitionskreisen wird spekuliert, dass die SPD dem zustimmt, wenn im Gegenzug ihr Soli-Vorschlag umgesetzt wird.

EU-Finanzminister beraten am Telefon

Angesichts der Corona-Krise steigen die Risiken für die Weltkonjunktur zusätzlich. Für diesen Mittwoch haben sich die EU-Finanzminister zu einer Telefonkonferenz verabredet, um über ein gemeinsames Vorgehen zu beraten. „Es geht darum zu signalisieren, dass die Finanzminister die Lage im Blick haben und gegebenenfalls bereit sind zu handeln“, hieß es in Regierungskreisen. Die G-7-Gruppe großer Industrieländer betonte bereits am Dienstag, dass sie angesichts der Corona-Krise bereit sei, „alle geeigneten politischen Instrumente“ zur Stabilisierung der Konjunktur einzusetzen.