Tagelang stand die Zukunft der italienischen Regierung auf der Kippe. Nach einem plötzlichen Kurswechsel Silvio Berlusconis erhält Italiens Regierungschef Enrico Letta im Parlament breite Unterstützung.

Rom - Pleite für Silvio Berlusconi: Italiens Ministerpräsident Enrico Letta hat sich in einem Machtkampf durchgesetzt und dabei auch die Gefolgsleute des Cavaliere auf seine Seite gezogen. In zwei Abstimmungen erhielt Letta am Mittwoch im Parlament das Vertrauen und kann weiter daran arbeiten, das Euro-Krisenland aus der tiefen Wirtschaftsflaute zu führen.

 

Letta bekam das Vertrauen der Parlamentarier problemlos, nachdem Berlusconi zuvor eingelenkt und die Unterstützung auch seiner Partei angekündigt hatte. Der konservative Ex-Regierungschef hatte zuvor mit dem Rückzug seiner Minister aus dem Kabinett eine Regierungskrise in Rom ausgelöst und baldige Neuwahlen angestrebt. Ein Teil seiner PdL-Partei (Volk der Freiheit) rebellierte jedoch dagegen.

Letta zeigt sich erfreut, gestärkt durch den Vertrauensbeweis die Arbeit seiner großen Koalition fortsetzen zu können. Das Land stecke noch tief in der Wirtschaftskrise, Reformgesetze müssten jetzt für Wachstum und Steuerentlastungen sorgen. Zudem wird es Lettas Ziel sein, eine dringende Wahlrechtsreform durchzubringen, damit bei der kommenden Wahl ein lähmendes Patt wie im Frühjahr vermieden werden kann. Diese Ziele verfolgt auch Staatschef Giorgio Napolitano, der mit Letta die Regierungskrise zu beenden suchte.

Finanzmärkte reagieren positiv auf Berlusconis Einlenken

Berlusconi hatte Letta zuvor nach einem überraschenden Schwenk die Unterstützung der PdL zugesagt und die Regierung damit vor dem drohenden Aus bewahrt. Letta gewann die erste von zwei Abstimmungen im Parlament in Rom klar. 235 Senatoren sprachen ihm das Vertrauen aus, 70 votierten gegen ihn. Im Senat war Letta auf die Stimmen aus Berlusconis Partei angewiesen. In der Abgeordnetenkammer hingegen hat seine Demokratische Partei (PD) eine absolute Mehrheit. 435 Abgeordnete sprachen Letta das Vertrauen aus, 162 stimmten mit Nein.

Berlusconis überraschendes Einlenken in der italienischen Regierungskrise beflügelte den Euro, die Finanzmärkte reagierten positiv.

Berlusconi hatte die Regierungskrise in Italien losgetreten, als er die fünf Minister seiner Partei zum Rücktritt aus der Regierung gezwungen hatte. Bis zum Dienstag zeigte sich der dreimalige Regierungschef entschlossen, Lettas Regierung zu stürzen, am Mittwoch schwenkte er aber überraschend in letzter Sekunde um. Zuvor hatten Senatoren aus dem Lager Berlusconis angekündigt, für Letta stimmen zu wollen, weshalb die PdL vor der Spaltung stand.

26 PdL-Abgeordnete wollen eigene Gruppe gründen

Bereits am Abend vor der entscheidenden Kraftprobe im Parlament hatte Letta überraschend Unterstützung aus der Partei Berlusconis bekommen: PdL-Chef Angelino Alfano rief seine Abgeordneten auf, sich hinter Letta zu stellen. Damit wendete sich ein Teil der PdL gegen den Kurs Berlusconis, ihr drohte eine Zerreißprobe. „Ich bleibe fest überzeugt, dass unsere gesamte Partei für das Vertrauen in Letta stimmen sollte“, so Alfano.

Mehr als 20 PdL-Senatoren hatten vor der neuen Order ihrer Leitfigur Berlusconi am Mittwoch bekanntgegeben, die Krise beenden und für Letta stimmen zu wollen. Daraufhin lenkte auch Berlusconi ein. Am Mittwoch kündigten 26 PdL-Abgeordnete um Alfano an, nun in der großen Kammer eine eigene Gruppe gründen zu wollen.

„Wir haben uns entschieden, nicht ohne innere Qual, dieser Regierung das Vertrauen auszusprechen“, sagte Berlusconi vor dem Votum im Senat. Zuvor warb Letta in einer Erklärung eindringlich um Vertrauen: „Italien steuert auf verhängnisvolle Gefahren zu“, sagte er. Ein neuer und tragfähiger Regierungspakt sei notwendig, um die Zukunft des Landes nicht zu gefährden. „Mut und Vertrauen ist das, worum ich euch bitte“, forderte er.

Der nächste Knackpunkt in den schwierigen Beziehungen der großen Koalition wartet bereits an diesem Freitag. Der Immunitätsausschuss des Senats will die entscheidenden Beratungen über einen Ausschluss des rechtskräftig verurteilten Berlusconi aufnehmen. Dieser bekräftigte am Mittwoch, er werde nicht von selbst zurücktreten.