Finanzstaatssekretär Rolf Bösinger stammt aus dem Schwarzwald. Er bereitet für Bundesfinanzminister Olaf Scholz die Steuerpolitik vor. Dazu gibt es schon genaue Pläne.

Berlin - An der Wand hängt eine Luftaufnahme vom Hamburger Hafen. Das Foto im Büro von Rolf Bösinger erinnert an seine letzte Tätigkeit. Bösinger war bis März Hamburger Staatsrat beim Wirtschaftssenator und damit für den Hafen der Hansestadt zuständig. Das geschäftige Treiben im Hafen hat ihn fasziniert. Das ist für jemanden, der in St. Georgen im Schwarzwald geboren und aufgewachsen ist, nicht selbstverständlich. Doch der Badener ist im Berufsleben viel herumgekommen. Das Bild mit Containern ziert jetzt das Zimmer des beamteten Staatssekretärs im Bundesfinanzministerium. Bösinger ist für Finanzminister Olaf Scholz (beide SPD) der wichtigste Mann in der Steuerpolitik. Wenn es um die Grundsteuerreform, den Abbau des Solidaritätszuschlags oder Änderungen der Unternehmenssteuern geht, kommt es auf den Badener an.

 

In der Hauptstadt ist der 52-Jährige noch wenig bekannt. Dabei war Bösinger im Berliner Regierungsviertel schon in früheren Zeiten tätig: Der promovierte Volks- und Betriebswirt arbeitete von 2000 an für den SPD-Parteivorstand und stieg 2008 zum Leiter der Grundsatzabteilung im Bundesarbeitsministerium auf.

Damals war Scholz Chef im Arbeitsressort. Seither gehört Bösinger zu Scholz‘ engen Mitarbeitern. Er folgte dem Ersten Bürgermeister nach Hamburg, wo er dem Planungsstabs der Senatskanzlei vorstand und später zum Staatsrat ernannt wurde – was einem Staatssekretär entspricht. Der Minister und der Spitzenbeamte sind im Typus ähnlich: Beide treten nüchtern, sachlich und mit sparsamer Geste auf. Bösinger sagt von sich, dass ihn die Themen Finanzen und Wirtschaft auf allen beruflichen Stationen begleitet haben. Er bezeichnet es als Glück, in den neunziger Jahren bei den wichtigen Solidarpakt-Verhandlungen zum Aufbau Ost dabei gewesen zu sein. Für den Bundestagswahlkampf 1998 der SPD berechnete er den Steuertarif. Bösinger ist es gewohnt, thematisch tief einzusteigen – das zeigte sich zuletzt bei den Verhandlungen zu den föderalen Finanzbeziehungen, die er für Scholz koordinierte. Den Ländern fließt dadurch viel Geld zu.

Das Glück, den Aufbau Ost mitzugestalten

In die Steuerpolitik muss sich der neue Staatssekretär wieder einarbeiten. „Für jede neue Aufgabe auf der Leitungsebene gilt: Es ist immer ein Sprung ins kalte Wasser“, sagt er. Natürlich brauche man Zeit, um in den Themen voll drin zu sein. Diese Zeit nehme er sich. Zugute komme ihm der Sachverstand des Ministeriums. Bösinger hat wenig vom Habitus eines Spitzenbeamten. Er will die Mitarbeiter kennenlernen. „Ich bin jemand, der gern auch mal in die Büros der Mitarbeiter geht, um Dinge direkt zu klären. Ich denke in Teams.“ So beschreibt er seinen Arbeitsstil.

Auf das Team ist er angewiesen, denn es wartet viel Arbeit. Auf dem akkurat geordneten Schreibtisch stapeln sich rote Umlaufmappen. Die Steuerpolitik gehört zwar nicht zu den Schwerpunkten im Koalitionsvertrag. Doch das Regierungsbündnis hat sich einiges vorgenommen. Es stehen wichtige Vorhaben an – etwa der Abbau des Solidaritätszuschlags für 90 Prozent der Steuerzahler im Jahr 2021. In den letzten Tagen machten Spekulationen die Runde, dass das Finanzministerium das Soli-Aufkommen der Spitzenverdiener auf Dauer erhalten will, indem die Abgabe in den Einkommensteuertarif eingegliedert wird. Dem tritt Bösinger entgegen: „Es gibt keine Pläne, den Solidaritätszuschlag in die Einkommenssteuer einzubeziehen.“

Bis Jahresende Eckpunkte zur Grundsteuer

Ein weiteres Großprojekt ist die Grundsteuerreform. Das Verfassungsgericht verpflichtet den Gesetzgeber, die für Immobilieneigentümer und Mieter wichtige Steuer neu zu regeln. „Die Länder erwarten von uns einen Vorschlag“, sagt Bösinger. „Den werden wir liefern.“ Bis Ende des Jahres sollen Eckpunkte für die Reform vorliegen. Ziel sei eine einvernehmliche Lösung mit den Ländern.

Der Sozialdemokrat Bösinger spart unangenehmen Themen nicht aus – etwa die Steuern für Unternehmen. In der SPD stieße eine Senkung der Unternehmensteuern sicher nicht auf Begeisterung. Der Staatssekretär sieht sich als Pragmatiker. „Wir müssen uns ansehen, welche Auswirkungen die US-Steuerreform auf den Standort Deutschland hat“, sagt er. Zusammen mit Frankreich suche er nach einer europäischen Antwort. Die Regierung müsse auch für den Fall, dass sich später die Konjunktur abschwächt, gerüstet sein.

Die Herzen der Sozialdemokraten dürfte durch ein anderes Vorhaben höher schlagen. Bösinger kündigt an, dass Minister Scholz schon bald einen neuen Versuch unternimmt, die Steuer auf Finanzgeschäfte einzuführen. „Wir wollen die Finanztransaktionssteuer auf den Weg bringen“, so Bösinger. In der Zeit der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft, die in der zweiten Jahreshälfte beginnt, werde das „ein wichtiger Punkt“. In den letzten Jahren sind Anläufe immer gescheitert.

Bösinger kann auch Dialekt

Für Reisen in die Heimat nach Baden-Württemberg bleibt dem Staatssekretär nicht viel Zeit. Bösinger, der mit seiner Familie in Hamburg lebt, kommt aber mehrmals im Jahr in den Südwesten. Seine Herkunft geht aus seiner Sprachfärbung nicht hervor. Das liegt daran, dass Bösinger schon zu lange im Norden und Osten der Republik lebt. Doch er kann den Dialekt noch. „Wenn ich zu Hause im Schwarzwald bin, rede ich nur alemannisch“, erzählt er. Als kleiner Junge habe er erst in der Schule Hochdeutsch gelernt.