Die Grünen stimmen Koalitionsgesprächen mit SPD und FDP zu. In der Partei wird aber gefordert, mehr beim Klimaschutz durchzusetzen. Die FDP entscheidet am Montag und wehrt sich gegen Kritik der Union.

Berlin - Die politische Ampel leuchtet nach rot nun auch grün: Die Delegierten der Grünen stimmten am Sonntag in Berlin auf einem kleinen Parteitag mit großer Mehrheit für die Aufnahme von Koalitionsgesprächen mit SPD und FDP. Es gab zwei Gegenstimmen sowie eine Enthaltung. „Lasst uns gemeinsam dieses Land erneuern“, sagte die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock unter dem Applaus der Delegierten.

 

Die SPD hatte durch ein einstimmiges Votum im Parteivorstand bereits am Freitag ihre Zustimmung gegeben. Die FDP-Gremien befassen sich am Montag damit, ob die Partei auf Grundlage des Sondierungsergebnisses in die tiefer gehenden Verhandlungen über eine Regierungsbildung einsteigen will. Es wird damit gerechnet, dass auch die Liberalen zustimmen. Die Koalitionsgespräche könnten am Dienstag starten.

Habeck: Auch die anderen haben Federn gelassen

Der Grünen-Vorsitzende Robert Habeck warb vor den Delegierten intensiv dafür, in die Gespräche über eine Regierungsbildung einzutreten. „Wir wollen die Verantwortung“, sagte der Parteichef. „Wir wollen die Wirklichkeit gestalten.“ Habeck räumte jedoch auch ein, dass seine Partei in den Sondierungsverhandlungen schmerzhafte Zugeständnisse gemacht habe. So mussten die Grünen etwa auf ein Tempolimit von 130 auf Autobahnen oder die Forderung nach höheren Steuern für Reiche verzichten. „Wir muten uns mit diesem Sondierungspapier etwas zu. Aber den anderen auch, auch sie haben Federn lassen müssen“, sagte Habeck.

Die Delegierten lobten zwar das Verhandlungsteam der Grünen, mehrere Redner forderten jedoch auch, in Koalitionsgesprächen besonders beim Klimaschutz noch mehr zu erreichen. „Es muss konkreter, es muss ambitionierter werden“, sagte der schleswig-holsteinische Landtagsabgeordnete Lasse Petersdotter. „Wir müssen aufpassen, dass die FDP nicht die Grenzen zieht, während wir Hoffnungen beschreiben.“

Das Finanzministerium weckt Begehrlichkeiten

Das Ziel sei, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, sagte die Heidelberger Bundestagsabgeordnete Franziska Brantner unserer Zeitung. „Dafür konnten wir wichtige Grundlagen legen, auch wenn das Sondierungspapier in einer Dreierkonstellation naturgemäß nicht hundertprozentig unserem Programm entspricht“, fügte Brantner hinzu, die zum erweiterten Verhandlungsteam der Grünen gehört. „Die nächsten Wochen werden wir alles dafür geben, die Konkretisierung fürs Klima zu erreichen.“

Obwohl Personalfragen in der Regel am Ende von Koalitionsgesprächen stehen, erhoben am Wochenende sowohl Vertreter der FDP als auch der Grünen Anspruch auf das Finanzministerium. Er könne sich niemand besseren als FDP-Chef Christian Lindner für diese Aufgabe vorstellen, sagte der liberale Parlamentsgeschäftsführer Marco Buschmann dem „Spiegel“. Ähnlich äußerte sich der FDP-Vizevorsitzende Wolfgang Kubicki. Baden-Württembergs Finanzminister Danyal Bayaz twitterte daraufhin, er halte seinen Parteikollegen Robert Habeck für die beste Besetzung des Postens: „Er hat sich nicht erst seit gestern gründlich auf diese verantwortungsvolle Aufgabe vorbereitet.“

Union sieht in der Ampel „strammste Linksagenda seit Jahrzehnten“

Mehrere Unionspolitiker kritisierten das von SPD, Grünen und FDP beschlossene Sondierungspapier scharf. Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) sagte auf dem Deutschlandtag der Jungen Union am Sonntag in Münster: „Das ist die strammste Linksagenda, die wir seit Jahrzehnten in Deutschland gehabt haben.“ Brinkhaus bemängelte ein „soziales Wünsch-dir-was“, die Pläne der „Ampel“-Parteien seien nicht gegenfinanziert. Der stellvertretende FDP-Fraktionschef Michael Theurer wies die Kritik zurück. „Teile der Union haben bereits in den Oppositionsmodus geschaltet“, sagte Theurer unserer Zeitung. „Die Attacken sollen von der eigenen Regierungsunfähigkeit ablenken.“

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Vor der Abstimmung der FDP über den Einstieg in Koalitionsverhandlungen hob Theurer das in den Verhandlungen Erreichte hervor. Einige Punkte seien Grünen und SPD wichtig gewesen. „Wir als Freie Demokraten finden uns aber ebenfalls darin wieder – und zwar in Punkten, die für die FDP wesentlich sind“, sagte der Vorsitzende der baden-württembergischen FDP. „Uns ist es gelungen, ein Bekenntnis zu stabilen Finanzen und zur Beibehaltung der Schuldenbremse zu vereinbaren.“ Theurer nannte zudem die Vereinbarung, dass es keine neuen Steuern geben solle und mit dem Auslaufen der EEG-Umlage sogar Entlastungen geplant seien. „Noch sind aber die Koalitionsverhandlungen nicht geführt“, sagte Theurer jedoch auch. „Wir stellen uns auf intensive Gespräche ein.“