Horst Seehofer hatte ein veritables Personalproblem zu lösen, nämlich vier Kandidaten auf drei Ministerposten zu verteilen. Nun wird Dorothee Bär Staatssekretärin fürs Digitale. Der Koalitionspartner SPD hat daraus aus der Presse erfahren.

Berlin - Genau mein Thema. Genau meine Leidenschaft.“ Unter anderem damit hat sich die stellvertretende CSU-Vorsitzende Dorothee Bär auf dem sozialen Netzwerk Instagram für die Glückwünsche zu ihrer Nominierung als Staatsministerin für Digitalisierung im Kanzleramt bedankt. Die 39-Jährige ist besonders netzaffin, weshalb ihr Parteichef Horst Seehofer mit Recht ihre diesbezügliche Qualifikation herausstreichen konnte. Dass ihr Posten „nicht Gegenstand eines Deals“ gewesen sei, wie von Seehofer behauptet, ist jedoch nur die halbe Wahrheit.

 

Tatsächlich hat die Union den Wählern in ihrem Regierungsprogramm versprochen, jemanden zu benennen, der die Digitalprojekte in den verschiedenen Ministerien koordiniert. „Digitalisierung ist Chefsache“, hieß es dort: „Deshalb wird im Bundeskanzleramt die Position eines ,Staatsministers für Digitalpolitik‘ neu geschaffen.“ Im Koalitionsvertrag aber tauchte diese Ankündigung nicht auf – dort werden lediglich die drei bisherigen Staatsministerposten für Integration, Kultur und die Bund-Länder-Koordination genannt, die alle der CDU zugeschrieben wurden.

Parteichefs waren sich nicht einig

Vergessen wurde das Amt, das zwar kein eigenes Ministerium beinhaltet und einem Staatssekretärsposten entspricht, dafür aber die Teilnahme an Kabinettssitzungen beinhaltet und – noch wichtiger – für den Aufbruch der großen Koalition ins digitale Zeitalter stehen soll, in den Verhandlungen nicht. Aus christdemokratischen Kreisen ist vielmehr die Vermutung zu hören, dass die Postenvergabe wegen seiner Symbolkraft zwischen den Parteichefs „zu kontrovers“ diskutiert und auf einen späteren Zeitpunkt verschoben wurde.

Den sah Seehofer gekommen, als er ein veritables Personalproblem zu lösen hatte, nämlich „vier Kandidaten für drei Ministerposten“, wie es in SPD-Kreisen süffisant heißt und in CSU-Kreisen nicht dementiert wird. Neben ihm selbst und Dorothee Bär wollten auch der alte und neue Entwicklungsminister Gerd Müller sowie CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer bedacht werden. Also verhandelte Seehofer nach – direkt mit der Hausherrin des betroffenen Kanzleramts, Angela Merkel. Man verfiel dann in den Gesprächen über den sogenannten Organisationserlass der Bundesregierung, in der solche Besetzungen und Ressortzuschnitte wie die von Seehofers künftigem Innenministerium geregelt werden, auf die noch nicht umgesetzte Idee eines Digital-Staatsministers. Merkel stimmte zu unter der Voraussetzung, dass Bär ihren bisherigen Staatssekretärsposten im Ministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur quasi mitnimmt – der künftige CSU-Hausherr Scheuer wird damit keinen CSU-Staatssekretär haben.

Koalitionspartner SPD erfährt die Nachricht aus der Presse

Die Sozialdemokraten wurden von der unionsinternen Abmachung, über die der „Spiegel“ am Wochenende in Teilen berichtete, kalt erwischt. „Die SPD war anfangs nicht begeistert, aus der Presse zu erfahren, dass noch jemand aus der CSU am Kabinettstisch sitzt“, heißt es in Seehofers Umfeld. Erst im Laufe des Sonntags habe man sich schließlich mit dem kommissarischen SPD-Vorsitzenden Olaf Scholz verständigt.

Dessen Lust auf eine größere Auseinandersetzung war angesichts des gerade positiv verlaufenen Mitgliederentscheids zur großen Koalition freilich begrenzt – man einigte sich auf einen „minimalinvasiven“ Kompromiss, wie es aus der Parteiführung heißt.

Weil die Digitalisierung ein so zentrales Thema der künftigen Bundesregierung sei, hätten sich die Koalitionsparteien „entschieden, dieses Thema auch personell stärker zu prägen“, sagte ein SPD-Sprecher unserer Zeitung: „Im Bundesministerium für Arbeit und Soziales soll sich künftig ein eigener beamteter Staatssekretär um die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Arbeitswelt (Stichwort Arbeit 4.0) kümmern.“ Im Gegenzug werde die CSU „das Thema Digitalisierung im Kanzleramt mit einem Staatsministerposten vertreten“.

Seehofers Problem war gelöst, sogar mit dem Bonus, wieder einmal als erfolgreicher Verhandler dazustehen und das Nicht-Ministeramt als zusätzlichen Platz am Berliner Kabinettstisch verkaufen zu können.