Nach der Bundestagswahl bespricht man sich auch in Stuttgart. Deutlich ist: Die Grünen gelten nicht mehr als Schreckgespenst, aber die Christdemokraten sind mit sich selbst im Unfrieden.

Stuttgart - Zu den Stimmen, die bereits am Wahlabend recht hoffnungsfroh in Richtung Jamaika blickten, gehört CDU-Landeschef Thomas Strobl. Er konstatierte kühl, Union wie SPD seien angesichts der erheblichen Stimmverluste „gut beraten, nicht zu sagen, wir machen einfach weiter große Koalition“. Mit den Grünen in der Landesregierung hat Strobl nach eigenen Bekundungen bisher gute Erfahrungen gesammelt, das gilt besonders für die Zusammenarbeit mit dem Ministerpräsidenten. Tatsächlich treten Winfried Kretschmann und sein Stellvertreter Strobl inzwischen auf wie ein gereiftes Ehepaar, das angesichts der Härte und Fährnisse des Erdenlebens zwar nicht gerade verliebt, aber doch rücksichts- wie verständnisvoll miteinander umgeht. Man weiß halt, was man aneinander hat.

 

Das im Vergleich zur Bundestagswahl 2013 ernüchternde, nein: desaströse Stimmergebnis der Südwest-CDU ist jedoch wenig geeignet, Strobls Prestige im Landesverband zu mehren. Dass seine Position prekär sei, ist vielleicht zu viel gesagt. Doch das Wahlergebnis, so erklärt ein Mitglied des Landesvorstands, sei „Munition für die Heckenschützen in der Landtagsfraktion“. Tatsächlich weisen Strobls Kritiker in der Partei darauf hin, dass ihr Vorsitzender als Wahlziel 40 plus x Prozent ausgegeben hatte. Dabei ließ er sich nicht nur von guten Umfragewerten inspirieren, sondern auch von der Erfahrung bei der Wahl 2013, als die CDU im Südwesten 45,7 Prozent erreicht hatte. Natürlich ein Erfolg von Angela Merkel, versicherte Strobl seinerzeit. Womöglich aber sei der Erfolg ja auch ein ganz klein wenig seiner Arbeit im Land zu verdanken. Und jetzt, nach einem Minus von 11,3 Prozentpunkten?

Manche würden Angela Merkel gerne schnell los

Eine Regierungsbildung in Berlin eignet sich nur bedingt dazu, Strobl zu piesacken. Das wissen auch seine Gegner im Land. Zumal drei der vier CDU-Bezirksvorsitzenden im Land ein Bundestagsmandat innehaben. Die achten erst einmal auf ihre Berliner Interessen, zum Beispiel darauf, dass es zu einer einigermaßen stabilen Regierung kommt. Steffen Bilger, CDU-Bezirkschef in Nordwürttemberg, sagt es so: „Wir haben im Land ein Bündnis von Grünen und Schwarzen, dann können wir auch mittragen, wenn im Bund Gelb hinzukommt.“

Gleichwohl bemerkt ein Mitglied der Parteiführung im Land, es fänden sich unter den Bundestagsabgeordneten schon auch Leute, welche die Kanzlerin gerne eher früher als später los würden. Doch am Ende gäben immer noch die knorrigen Alten Wolfgang Schäuble und Volker Kauder die Richtung vor.

Und so finden sich in der Landes-CDU vielfältige Stimmen des Missbehagens. Ein erfahrener Parlamentarier lobt die Verlässlichkeit der SPD in der großen Koalition und nennt den neuen FDP-Star Christian Lindner einen „Autoverkäufer“, ein zweiter Christdemokrat klassifiziert den FDP-Bundesparteichef als „Posterboy“, wieder ein anderer streicht heraus, wie unbeliebt der Grünen-Spitzenkandidat Cem Özdemir in der Südwest-CDU sei. Fazit: Aus der Landespartei steigt zwar an vielerlei Stellen Rauch auf, doch ein richtiger Brand entwickelte sich noch nirgends.

Kretschmann wittert eine letzte Chance für die Grünen

Und die Grünen? Ministerpräsident Kretschmann hatte schon nach der Bundestagswahl vor vier Jahren auf ein Bündnis mit der CDU gehofft, sein Zorn darüber, dass die Grünen im Bund diese Gelegenheit – nach seiner Ansicht fahrlässig – verpassten, wirkt bis heute nach. Nun will er die Grünen mit Macht an den Berliner Kabinettstisch führen. Allerdings nicht um jeden Preis, wie der Kretschmann-Vertraute und Tübinger OB Boris Palmer anmerkt. Er verlangt beim Klimaschutz und insbesondere bei den erneuerbaren Energien substanzielle Fortschritte. „Wenn das nicht drin ist, bin ich gegen Jamaika.“ Für die FDP werde das nicht einfach. In eigener Sache verweist Palmer – in seiner Partei als Rechtspopulist verschrien – auf das niedrige AfD-Ergebnis in der Stadt Tübingen. Dort erreichte die AfD nur 5,2 Prozent, was, so Palmer, die These widerlege, dass er die Leute zur AfD treibe. „Dieser Vorwurf lässt sich daraus nicht ableiten.“