Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)

Sie nennen es zwar nicht so, aber es ist ein Projekt: 25 Jahre nach dem Fall der Mauer wird sich im kleinen, genau in der Mitte Deutschlands liegenden Thüringen zeigen, wie es um die innere Einheit und die demokratische Reife der Republik bestellt ist. Wird Bodo Ramelow am 5. Dezember zum Ministerpräsidenten gewählt, wird es viele Gratmesser dafür geben: Wie viel Integrationskraft wird der zum Wossi gereifte Niedersachse Ramelow an der Macht in Thüringen entfalten? Wie weit ist die Demokratisierung der SED-Nachfolgepartei Die Linke gediehen, an der der Bundespräsident Joachim Gauck und der Barde Wolf Biermann im Rahmen des Mauerfall-Jubiläums Zweifel angemeldet haben? Wie wechselfest erweist sich das Demokratieverständnis der Thüringer CDU angesichts des real drohenden Machtverlustes? Wächst in Erfurt zusammen, was wegen der gemeinsamen Verortung im linken Lager zusammengehören will und bisher nie zusammengefunden hat: Linke, SPD und Grüne? Werden es eher Zentrifugal- oder Zentripetalkräfte sein, die die Regierungsbildung in der aus ostdeutscher PDS und westdeutscher Wahlalternative WasG verschmolzenen Linkspartei freisetzen wird? Und wie viele sozialistische Überbleibsel halten die Westdeutschen aus, die sich bisher überwiegend in der Sicherheit wogen, dass diese Denkweise seit 1989 nicht mehr mehrheitsfähig sei?

 

„Veränderung beginnt mit Opposition“, sagt Susanne Hennig-Wellsow. „Das haben wir 25 Jahre lang gemacht. Aber das heißt doch auch, dass es jetzt weitergehen muss.“ Sie redet über die konkreten Verbesserungen – mit einem kostenfreien Kitajahr, besserer Schulsozialarbeit, neuen Lehrern oder der Abschaltung von V-Leuten beim Verfassungsschutz – die die Linke in Thüringen jetzt durchsetzen kann. Und von den Kompromissen, die sie eingehen muss, um die 24-jährige Dauerregentschaft der Union in Erfurt beenden zu können.

Es ist schon ein seltsamer Zufall, dass die Frage, wie viel DDR in der wiedervereinigten Republik des Jahres 2014 noch vorhanden ist, gerade an der ehemaligen Nahtstelle zwischen Ost und West wieder aufbricht. An rot-rote Koalitionen, in denen die Genossen in Dunkelrot pragmatisch mitgearbeitet haben, hat Deutschland sich ja gewöhnt, seit die PDS 1998 in Mecklenburg-Vorpommern erstmals mit am Kabinettstisch saß. Vorher hatte in Sachsen-Anhalt die PDS eine SPD-Minderheitsregierung geduldet. Seither haben Rote und Dunkelrote auch in Berlin und in Brandenburg relativ geräuschlos gemeinsame Sache gemacht. Dennoch rührt es offenbar an ein Tabu, dass jetzt erstmals ein Linker Regierungschef werden soll.

Knackpunkt war der „Unrechtsstaat“

Von Beginn der Koalitionsverhandlungen an sei klar gewesen, dass die Linke am Ende daran gemessen werde, ob sie den Begriff „Unrechtsstaat“ akzeptiere, sagt Susanne Hennig-Wellsow ihren Parteigenossen. Zwar bestreite niemand das Unrecht der DDR, aber das Unbehagen über den Begriff werde von der Führungsspitze nach wie vor geteilt, die Entwertung von DDR-Biografien abgelehnt. „Für die SPD und die Grünen dokumentiert dieser Begriff den Bruch mit der DDR. Das habe ich am Ende verstanden.“ Und akzeptiert.

Diesen Schritt gehen die meisten Genossen in Gera nicht mit. Den größten Beifall bekommt der Senior Gerhard Neumeier. „Wir empfinden es als Angriff auf unsere Biografie, als Rechtsverletzer dazustehen.“ Er erzählt vom Stolz über den hoffentlich bald ersten linken Ministerpräsidenten in seiner Senioren-AG und vom Zorn über die rückwärtsgewandte Unrechtstaatsdebatte. „Die DDR war Mitglied der UN und weltweit respektiert für ihr Friedensengagement, was man von der BRD nicht immer sagen kann“, sagt er. „Es wäre anständig, wenn Bodo Ramelow sich bei den älteren Genossen entschuldigt“, fordert Theresia Friedrich. „Sie haben Tag für Tag hart dafür gearbeitet, dass wir in der DDR in Frieden leben konnten, und standen dabei auf dem Boden der Gesetze.“ Beide erhalten zustimmende Zwischenrufe und viel Applaus. Beide erklären, dass sie beim Basisvotum trotz Kritik für Rot-Rot-Grün stimmen.

„Veränderung beginnt mit Opposition“, sagt Susanne Hennig-Wellsow. „Das haben wir 25 Jahre lang gemacht. Aber das heißt doch auch, dass es jetzt weitergehen muss.“ Sie redet über die konkreten Verbesserungen – mit einem kostenfreien Kitajahr, besserer Schulsozialarbeit, neuen Lehrern oder der Abschaltung von V-Leuten beim Verfassungsschutz – die die Linke in Thüringen jetzt durchsetzen kann. Und von den Kompromissen, die sie eingehen muss, um die 24-jährige Dauerregentschaft der Union in Erfurt beenden zu können.

Es ist schon ein seltsamer Zufall, dass die Frage, wie viel DDR in der wiedervereinigten Republik des Jahres 2014 noch vorhanden ist, gerade an der ehemaligen Nahtstelle zwischen Ost und West wieder aufbricht. An rot-rote Koalitionen, in denen die Genossen in Dunkelrot pragmatisch mitgearbeitet haben, hat Deutschland sich ja gewöhnt, seit die PDS 1998 in Mecklenburg-Vorpommern erstmals mit am Kabinettstisch saß. Vorher hatte in Sachsen-Anhalt die PDS eine SPD-Minderheitsregierung geduldet. Seither haben Rote und Dunkelrote auch in Berlin und in Brandenburg relativ geräuschlos gemeinsame Sache gemacht. Dennoch rührt es offenbar an ein Tabu, dass jetzt erstmals ein Linker Regierungschef werden soll.

Knackpunkt war der „Unrechtsstaat“

Von Beginn der Koalitionsverhandlungen an sei klar gewesen, dass die Linke am Ende daran gemessen werde, ob sie den Begriff „Unrechtsstaat“ akzeptiere, sagt Susanne Hennig-Wellsow ihren Parteigenossen. Zwar bestreite niemand das Unrecht der DDR, aber das Unbehagen über den Begriff werde von der Führungsspitze nach wie vor geteilt, die Entwertung von DDR-Biografien abgelehnt. „Für die SPD und die Grünen dokumentiert dieser Begriff den Bruch mit der DDR. Das habe ich am Ende verstanden.“ Und akzeptiert.

Diesen Schritt gehen die meisten Genossen in Gera nicht mit. Den größten Beifall bekommt der Senior Gerhard Neumeier. „Wir empfinden es als Angriff auf unsere Biografie, als Rechtsverletzer dazustehen.“ Er erzählt vom Stolz über den hoffentlich bald ersten linken Ministerpräsidenten in seiner Senioren-AG und vom Zorn über die rückwärtsgewandte Unrechtstaatsdebatte. „Die DDR war Mitglied der UN und weltweit respektiert für ihr Friedensengagement, was man von der BRD nicht immer sagen kann“, sagt er. „Es wäre anständig, wenn Bodo Ramelow sich bei den älteren Genossen entschuldigt“, fordert Theresia Friedrich. „Sie haben Tag für Tag hart dafür gearbeitet, dass wir in der DDR in Frieden leben konnten, und standen dabei auf dem Boden der Gesetze.“ Beide erhalten zustimmende Zwischenrufe und viel Applaus. Beide erklären, dass sie beim Basisvotum trotz Kritik für Rot-Rot-Grün stimmen.

Die Parteispitze hält ihren Kurs. Landesvize Steffen Dittes pocht darauf, dass es in der DDR Menschen gab, die Entscheidungen getroffen, und Opfer, die darunter gelitten haben. „Diesen Opfern ist die Linkspartei gerade als SED-Rechtsnachfolgerin auch verpflichtet.“ Rot-Rot-Grün hat sich laut Koalitionsvertrag eine schonungslose Aufarbeitung der Alltagsdiktatur vorgenommen. „Ich bin überzeugt, dass wir einen bewussten Umgang mit der DDR-Vergangenheit und dem Unrecht, das dort geschehen ist, brauchen“, ergänzt Susanne Hennig-Wellsow. „Das packen wir in dieser Legislaturperiode an. Das ist für die gesamte Linke ein wichtiger Prozess.“