Die Menschen werden nicht nur zunehmend älter, sie werden auch immer dicker. Die Krankenhäuser in der Region reagieren mit neuen Angeboten.

Esslingen - Die Menschen werden nicht nur zunehmend älter, sie werden auch immer dicker. Professor Ludger Staib, Chefarzt der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie am Klinikum Esslingen, sieht gar eine "Tsunami-Welle dickleibiger Menschen" in den kommenden Jahren auf die deutsche Gesellschaft zurollen.

 

Daraus ergebe sich ein erweitertes Aufgabenfeld für die Chirurgen im Land - und damit auch in Esslingen. Neben dem Adipositaszentrum im Krankenhaus Bad Cannstatt wird das Klinikum Esslingen ab sofort als zweite Einrichtung in der Region adipositaschirurgische Operationen anbieten. Auf die Aufgabe hat sich das Klinikum intensiv vorbereitet: Neue Betten wurden angeschafft und Erweiterungen für die Operationstische bestellt, damit dickleibige Menschen sicher operiert werden können.

Vier Operationsmethoden kommen grundsätzlich infrage

Rein chirurgisch, so Ludger Staib, seien die Operationen vergleichsweise einfach. Vier Methoden (siehe nebenstehender Kasten) kämen grundsätzlich infrage. Aber selbst die aufwendigste, der Magenbypass, lasse sich problemlos mit einem minimalinvasiven Eingriff operieren. Nach sieben bis zehn Tagen könnten diese Patienten das Krankenhaus verlassen. Bei den anderen Methoden sei die Verweildauer sogar noch deutlich niedriger.

Staib sieht im chirurgischen Eingriff eine wesentliche Hilfe, um von krankhafter Fettleibigkeit betroffenen Menschen ein wesentliches Stück Lebensqualität zurückzugeben. Denn die Erfahrung zeige, dass Menschen, die mehr als 30 Kilogramm Übergewicht haben, es nur in den seltensten Fällen schaffen, aus eigener Kraft ihr in der Tat schwerwiegendes Problem in den Griff zu bekommen. "Dicke Menschen bekommen Probleme mit ihren Gelenken und dem Stoffwechsel und sie vereinsamen. Ihren Frust bekämpfen sie, indem sie weiteressen", sagt Staib. Der Teufelskreis könne häufig nur durch die Chirurgie durchbrochen werden.

Die Operationskosten werden selten übernommen

Das Problem in Deutschland sei, dass solche Operationen lange Zeit als kosmetische Eingriffe gewertet worden seien. Noch heute sei es nicht leicht, die Zusage zur Kostenübernahme von den Krankenkassen zu bekommen. Entsprechend niedrig sind die Operationszahlen: Werden in Deutschland bisher jährlich 14 von einer Million Menschen operiert, so sind es in Frankreich 278 Menschen und in Amerika sogar 752 Menschen. Zwar handele es sich, so Staib, bei Adipositasoperationen um sogenannte Wahleingriffe, weil der Arzt an einem gesunden Organ operiere, dennoch sei die Zurückhaltung der Kassen unverständlich.

Denn nachweislich bessere sich durch die Operation nicht nur die allgemeine Lebenssituation, sondern auch die oft auftretende Diabetes mellitus. Das spare Kosten für die Krankenkassen, erläutert Staib. In Esslingen stehen dem vierköpfigen Chirurgenteam, das sich auf den neuen Operationszweig vorbereitet hat, Fachleute der Kardiologie, das Anästhesie, der Gastroenterologie und der Psychosomatischen Klinik zur Seite, um die Adipositaspatienten auf ihr neues Leben vorzubereiten.

Beratung: Das Klinikum bietet eine Adipositassprechstunde montags um 13.30 Uhr an. Eine Anmeldung unter 0711/31032601 ist notwendig.

Die Operationsmöglichkeiten bei krankhaftem Übergewicht

Magenballon: Die Technik soll eine erste Gewichtsverminderung erzielen. Sie dient als Überbrückung bei extremem Übergewicht und hohem Operationsrisiko. Über eine Magenspiegelung wird ein Ballon in den Magen eingebracht. Das Hungergefühl wird reduziert. Der Patient kann den Effekt durch flüssige Kalorienbomben wie Sahne zerstören.

Magenband: Das Magenband wird bei einem minimalinvasiven Eingriff um den Mageneingang gelegt. Dadurch kann der Patient nur deutlich langsamer feste Nahrung schlucken. Von außen kann das Band über ein Portsystem enger und weiter gestellt werden, so dass der Zugang zum Magen nach der Operation variabel gestaltet werden kann.

Magenschlauch: Hierbei handelt es sich um einen größeren Eingriff, der allerdings auch minimalinvasiv durchgeführt wird. Die Chirurgen verkleinern den Magen durch eine Operation derart, dass eine deutliche Gewichtsabnahme erzielt werden kann. Der Magen wird dabei zu einem Schlauch umgeformt, durch den die Nahrung schnell in den Dünndarm abfließt. Allerdings ist der Effekt geringer als bei der Magenbypass-Operation.

Magenbypass: Durch diese Schlüssellochoperation wird der Nahrungsweg so umgestaltet und verkürzt, dass über den Dünndarm nur noch wenige Nahrungsbestandteile aufgenommen werden können. Die Chirurgen verkürzen den Dünndarm von normalerweise 4 bis 5 Metern auf 1 bis 1,5 Meter. Zwar nimmt der Patient mit der Methode erheblich ab, oft sind aber Durchfälle die Folge. Außerdem muss der Patient lebenslang Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente zusätzlich zur normalen Nahrung einnehmen.