Laut einer Studie könnten in der Region Stuttgart rund 1000 Hektar schnell bebaut werden – aber viele Kommunen forsten ihre Baugebiete nicht auf. Welche Hemmnisse es dort gibt, soll ein regionaler Wohnbaugipfel nächste Woche klären.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - Der Verband Region Stuttgart (VRS) engagiert sich verstärkt im Thema Wohnungsbau. Er hat erstens jetzt geprüft, wo in der Region welche Flächen schnell bebaut werden könnten und ist auf 1000 Hektar für 76 000 Menschen gekommen. Zweitens wird es am 23. März einen allerdings nichtöffentlichen Wohnbaugipfel mit OBs und Bürgermeistern geben.

 

Aber zunächst zu den Reserven an Bauflächen. Der Verband hat geschaut, wo es ausgewiesene Bauflächen mit mehr als fünf Hektar gibt, denn solch größere Gebiete werden bevorzugt entwickelt. Insgesamt hat der VRS 65 Flächen mit zusammen 600 Hektar ausgemacht – dort könnten einmal 41 700 Menschen leben. Die Städte und Gemeinden müssten jetzt Bebauungspläne aufstellen, dann könnten die Flächen innerhalb weniger Jahre bebaut werden.

Region will mit den Kommunen sprechen

Das ist allerdings nicht überall der Fall – der VRS will deshalb mit den Kommunen sprechen, welche Hemmnisse es gibt, und eventuell Unterstützung anbieten. Probleme gibt es häufig mit dem Natur- oder Artenschutz; manchmal ist es einfach der Umstand, dass die Grundstückseigentümer nicht verkaufen wollen. Daneben gebe es aber oft Widerstand gegen neue Baugebiete, sagen Bürgermeister; häufig würden sich Initiativen dagegen bilden.

Weiter weist der Regionalplan 27 sogenannte „regionale Wohnbauschwerpunkte“ aus. In solchen Gebieten ist vorgeschrieben, dass die Einwohnerdichte mindestens 90 Personen pro Hektar betragen muss. Sie sind deshalb besonders für eine kompakte und damit auch günstige Bauweise geeignet – bezahlbarer Wohnraum und auch sozialer Wohnungsbau könnte genau dort entstehen. Im Moment stehen dort weitere 390 Hektar für 34 700 Menschen zur Verfügung. Laut den Kommunen sollen 19 der 27 Gebiete auch realisiert werden; trotzdem bleibt der soziale Wohnungsbau für viele Kommunen unattraktiv, sowohl finanziell als auch bezüglich der womöglich nicht so guten sozialen Struktur solcher Gebiete. Und auch die zeitliche Schiene ist schwierig: Bis zur Verwirklichung dauert es fünf Jahre und mehr.

Die Maximalzahl wird nicht reichen

Insgesamt könnten aber, wenn die Kommunen alle Flächen entwickeln würden, 76 000 Menschen zusätzlich untergebracht werden. Ausreichen wird selbst diese Maximalzahl nicht: Allein zwischen 2011 und 2015 sind rund 100 000 Menschen mehr in die Region Stuttgart gekommen als weggezogen – die Flüchtlinge der vergangenen beiden Jahre mit eingerechnet.

Beim Wohnbaugipfel am 23. März soll der schwierige Bereich „sozialer Wohnungsbau“ zum Thema werden. Stuttgarts OB Fritz Kuhn (Grüne) hat sein Kommen schon zugesagt. Thomas Kiwitt will dann bei den Kommunen nochmals nachfragen, warum die vorgesehenen Baugebiete nicht aufgesiedelt werden: „Wir können nämlich keine verstärkte Ausweisung von Baugebieten beobachten.“ Er betonte am Mittwoch, dass der Regionalverband kulant sein werde bei neuen Baugebieten und nicht auf die teils recht restriktiven Regeln für Bebauungen beharren werde. Aber die Kommunen seien auch in der Pflicht, ihre Flächenreserven schnell auszuschöpfen. Für den 8. Juli ist zudem eine öffentliche Fachtagung geplant.

Kritik an Behäbigkeit der Region

Der Regionalrat Jürgen Lenz (CDU) ist mit der Vorlage nicht zufrieden. Er hätte sich gewünscht, dass bereits konkret dargelegt worden wäre, welche Gemeinden welche Strategien entwickelt haben und auf welche Weise der VRS zur schnellen Schaffung von Wohnraum beitragen könne. Auch Wilfried Wallbrecht (Freie Wähler), der Erster Bürgermeister in Esslingen ist, geht die Strategie des Verbandes zu langsam: „Uns brennt buchstäblich der Kittel.“ Man müsse allen Kommunen klar machen, dass sie Baugebiete ausweisen sollten. Für Kai Buschmann (FDP) ist in der Vorlage unklar geblieben, ob eine bessere Information der Kommunen ausreiche, um sie zum Ausweisen von Bauflächen zu bewegen. Falls dem nicht so sei, müsse man sich überlegen, welche Folterwerkzeuge die Region habe. Kiwitt betonte, dass er vertrauensvoll mit den Kommunen die Probleme angehen wolle. Allerdings: man könne Flächen für Baugebiete aus den Plänen auch wieder streichen, wenn die Kommunen diese nicht entwickelten, deutete er an.

Dorothee Kraus-Prause (Grüne) konnte die Kritik am VRS nicht nachvollziehen. Zunächst müsse intensiv mit den Kommunen darüber gesprochen werden, wo die Probleme liegen – erst danach könne man entscheiden, welche Möglichkeiten zu handeln der Regionalverband habe.

Matthias Hahn (SPD) sieht als größtes Problem, dass es in den Kommunen große Vorbehalte gegen verdichtetes Bauen gebe. Diese Sorgen müsse man den Gemeinderäten und Bürgermeistern nehmen, so Hahn – das sei die Aufgabe des Regionalverbandes. Christoph Ozasek (Linke) ist dagegen der Meinung, dass man sich Zeit für gute Lösungen nehmen sollte, gerade unter dem Aspekt des zunehmenden Flächenfraßes.