Von Husum bis Niedernussdorf: Das Fernsehen erzählt von der Heimat am liebsten in kriminalistischer Form und folgt damit einem literarischen Trend. Allerdings: Wie das so ist mit einem neuen Fernseh-Trend – irgendwann reicht’s.

Stuttgart - Das Verbrechen lauert überall. Schrecklich? Aber nein: Wir lieben es. Jedenfalls auf dem Papier. Oder auf dem Bildschirm. Deutschland kriegt den Hals von Krimis nicht voll. Kriminalgeschichten bieten existenzielle Dramen, Liebe, Leidenschaft, Eifersucht, Hass. Und am Ende die Erlösung, wenn der Täter gefasst, das Böse besiegt ist. Das funktioniert überall, von Husum bis Niedernussdorf.

 

Der Heimatkrimi ist einer der Fernsehtrends der Gegenwart und folgt damit der boomenden Literaturgattung Regionalkrimi bis in den entlegensten Winkel. Seit vier, fünf Jahren bringen auf dem Buchmarkt immer mehr Verlage Kriminalromane mit Lokalkolorit heraus, sagt Dominic Hettgen vom Kölner Emons-Verlag, dem Vorreiter, der bereits 1984 den ersten Regionalkrimi, einen Köln-Krimi, veröffentlichte. Über die Gründe für den Heimat-Boom „können auch wir nur spekulieren“, sagt Hettgen. Das nahe Umfeld sei in den Geschichten ein „zusätzlicher emotionaler Aspekt“. Der Wunsch, auf das Vertraute zu blicken, ein „Gegentrend zur Globalisierung“. Und nicht zuletzt geht es um Marketing. Bei den „unfassbar vielen Krimi-Neuerscheinungen“ würden die verschiedenen Reihen, vom „Küsten-Krimi“ bis zum „Alpen-Krimi“, für die Leser auch ein Orientierungsmuster bieten. Unfassbar viele Krimis gibt es auch im Fernsehen, immer mal wieder auch nach literarischen Vorlagen. Besonders gut scheint das im Urlaubsland Bayern zu funktionierten. So fanden Bestsellerfiguren wie der Kluftinger aus dem Allgäu oder der Eberhofer aus Niederbayern Fernseh-Wiedergänger: Herbert Knaup bereits in drei „Kluftingerkrimis“ und Sebastian Bezzel zuletzt in „Dampfnudelblues“. Auch das ZDF hat sich für „Hattinger und die kalte Hand“ bei einem Kriminalroman bedient, bei „Chiemsee Blues“.

Die Überdrussgrenze rückt näher

Die Sehnsucht nach Heimat, nach Landschaften und fester Verwurzelung ist dem Fernsehkrimi ohnehin nicht fremd. Die Bella Block kann es nur in Hamburg geben, und der schweigsame „Tatort“-Kommissar Borowski passt wunderbar nach Kiel und an die Küste. Zudem hat der Begriff „Heimat“, lange mit rückständiger Volkstümelei verbunden, offenbar an Schrecken verloren. Man blickt heiter auf Milieus und Mentalitäten – und entdeckt immer neue Gegenden, Winkel, „Heimaten“. Der Krimi zieht dabei verstärkt übers Land, die Leichen liegen nicht mehr nur in Häuserschluchten oder im Rotlichtviertel. Diese Schwemme bringt gerne kauzige Typen hervor wie Hubsi und Hansi, die gegensätzlichen Dorfsheriffs „Hubert und Staller“ aus dem Voralpenland. Sie schlugen sich sogar am mäßig erfolgreichen ARD-Vorabend beachtlich und sammelten jüngst mit einem ausgewachsenen 90-Minüter in der Primetime vier Millionen Zuschauer.

Überhaupt ist der Bayerische Rundfunk eine Art Trendsetter: Für „München 7“ gab es schon 2005 einen Grimme-Preis. Und in der 2008 aufgelegten „Heimatkrimi“-Reihe werden Filme produziert, deren Ehrgeiz über das Erreichen des Vorabend-Schmunzel-Niveaus hinausreicht. Dann verschlägt es auch Regie-Stars wie Max Färberböck („Aimée und Jaguar“) in die niederbayrische Provinz wie zuletzt in „Paradies 505“.Hier hat Bayern „keine blumigen Balkons“, ist weniger touristisch – und cooler, findet Färberböck. „Die Witze hintersinnig und schief wie bei den Friesen.“ Dort in Niedernussdorf ermittelt Kommissarin Wegmeyer (Johanna Bittenbinder) und erhält im Ernstfall Verstärkung von Kommissar Lederer aus Straubing, der eine Art Asphalt-Cowboy-Karikatur ist.

Allerdings: Wie das so ist mit einem neuen Fernseh-Trend – irgendwann reicht’s. Dass die Überdruss-Grenze bald erreicht sein könnte, auch daran arbeiten die Sender schon. Der SWR hat für 2014 den Südpfalz-Krimi „Frausche und die Deiwwelsmilsch“ angekündigt. Hauptdarstellerin ist Daniela Katzenberger.