Abellio, eine Tochter der niederländischen Staatsbahn, und der britische Schienenkonzern Go Ahead sollen künftig die lukrativsten Schienenstrecken im Südwesten befahren. Die DB Region will das verhindern.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Berlin - Die Vergabe der wichtigsten Strecken des Schienenregionalverkehrs im Südwesten wird mit hoher Wahrscheinlichkeit erst vor Gericht endgültig entschieden. Die DB Regio, die unterlegene Tochter der bundeseigenen Deutschen Bahn, hat den Entscheid der Landesregierung von Baden-Württemberg schriftlich gerügt. Das bestätigten beide Seiten auf Anfrage. Damit droht ein langwieriger juristischer Streit.

 

Den Zuschlag für die drei Lose des Regionalbahnnetzes mit jährlich 14,8 Millionen Zugkilometern sollen wie berichtet das britische Bahn- und Busunternehmen Go Ahead sowie Abellio Rail Südwest erhalten, eine Tochter der Niederländischen Staatsbahn. Die Briten sollen die Strecken von Stuttgart nach Crailsheim und Ulm betreiben (Rems-Fils-Netz) sowie von Stuttgart nach Aalen, Karlsruhe und Würzburg (Franken-Ems-Netz). Abellio soll zwischen Stuttgart und Pforzheim, Mannheim und Tübingen fahren.

Der Deutschen Bahn drohen erhebliche Einbußen ab 2019

Für die Deutsche Bahn würde der für 2019 geplante Betreiberwechsel eine weitere schwere Niederlage bedeuten. Bisher befährt der Konzern alle diese lukrativen Strecken auf Basis des politisch heftig umstrittenen Verkehrsvertrags von 2003, der noch bis 2016 läuft. Für diesen Vertrag, der damals in zeitlicher Nähe zum politisch von der früheren CDU-Regierung erwünschten, aber für den Konzern kaum rentablen Großprojekt Stuttgart 21 geschlossen wurde, zahlt das Land laut Gutachten insgesamt bis zu 1,25 Milliarden Euro zu viel. Das zeigt, mit welchen Einbußen die DB künftig rechnen muss, wenn solche Verträge im Regionalverkehr auslaufen und verloren gehen. Derzeit bekommt der Staatskonzern noch fast zwölf Euro vom Land für jeden gefahrenen Zugkilometer. Abellio und Go Ahead dagegen werden nach Angaben des baden-württembergischen Verkehrsministers Winfried Hermann künftig weniger als sechs Euro erhalten. Der neue Vertrag soll dem Land jährlich 75 Millionen Euro sparen, die in zusätzliche Verkehrsangebote für die Bürger gesteckt werden können.

Stuttgart ist kein Einzelfall. Im Regionalverkehr, den die Länder ausschreiben, bestellen und mit Bundesmitteln bezahlen, hat der Ex-Monopolist in den letzten Jahren reihenweise lukrative Strecken ganz oder teilweise verloren. Allein in diesem Jahr wuchs  der Marktanteil der Konkurrenten von 27,1 auf 29,3 Prozent. Fast drei Viertel des Verkehrsvolumens sind bundesweit inzwischen im Wettbewerb neu vergeben worden, zeitweise zog die DB bei zwei Dritteln der Ausschreibungen den Kürzeren. Regelmäßig ziehen die Vergabebeschlüsse Gerichtsverfahren nach sich. Zuletzt hat die Deutsche Bahn im Frühjahr die Vergabe des Betriebs der S-Bahn Nürnberg an das private britische Verkehrsunternehmen National Express (NX) angefochten, worauf die Vergabekammer den Entscheid kippte. Dagegen zog wiederum NX vor Gericht, nun sollen Gutachter die umstrittene finanzielle Leistungsfähigkeit der Briten sowie Haftungsklauseln prüfen. In Franken geht es um ein Vertragsvolumen von rund 1,3 Milliarden Euro.

Der letzte Schritt ist eine Klage vor dem Oberlandesgericht

Bei der Vergabe der Stuttgarter Netze soll die Deutsche Bahn wichtige Vorgaben in der Ausschreibung zur Preisentwicklung nicht eingehalten haben und wurde deshalb bei der Vergabe nicht berücksichtigt. Eine Bahnsprecherin bestreitet das auf Anfrage. Man sehe „keinen Bruch der formalen Regeln“. Im Wesentlichen gehe es um die unterschiedliche Auslegung einer Rechenregel in den Verdingungsunterlagen. „Diese Auslegung werden wir natürlich rechtlich prüfen lassen und in Kürze eine Entscheidung über das weitere juristische Vorgehen treffen“, so die DB-Sprecherin. Die zehntägige Frist für den Einspruch bei der Vergabekammer beim Regierungspräsidium Karlsruhe läuft am Freitag ab. Nach der bereits erfolgten Rüge bei der Landesregierung, die nach StZ-Informationen keine Aussicht auf Erfolg hat, wäre das der zweite Schritt, mit dem der deutsche Staatskonzern gegen die Vergabe an Go Ahead und Abellio vorgehen könnte. Dritter Schritt wäre dann die Klage vor dem Oberlandesgericht.

Der Fahrgastverband Pro Bahn begrüßt den Entscheid der Landesregierung. „Es ist gut, dass endlich auch in Baden-Württemberg der Wettbewerb auf der Schiene frischen Wind bringt“, sagte der Ehrenvorsitzende Karl-Peter Naumann der Stuttgarter Zeitung. Mit Abellio gebe es bereits in Nordrhein-Westfalen gute Erfahrungen, auf die Angebote von Go Ahead sei man gespannt. Die Briten sind bisher noch nicht in Deutschland aktiv.