Statt am Rosenstein in Stuttgart werden viele Regionalzüge der Bahn in Ulm gewartet und gereinigt. Die Überführung kostet Zeit, die Reisenden werden es mit einem knapperen Platzangebot zu spüren bekommen.

Ulm - Der Samstag soll zum großen Tag für die Eisenbahn im Raum Ulm werden. Die Bahn hat auf dem Gelände des alten Rangierbahnhofs in Ulm ein Großprojekt namens Fiba fertiggestellt. Hinter dem Kürzel im typischen Eisenbahnerjargon verbirgt sich die Fahrzeug-Instandhaltungs-, Behandlungs- und Abstellanlage. Dort sollen in erster Linie Regionalzüge gründlich gewartet und frisch geputzt werden.

 

Zur Einweihung werden Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) und Bahnchef Rüdiger Grube erwartet. Ob sie auch über mögliche Einschränkungen für die Reisenden auf der viel befahrenen Strecke Stuttgart–Ulm und anderen Verbindungen rund um Stuttgart sprechen werden, ist noch nicht bekannt. Vor allem Pendler werden bis auf weiteres mit deutlichen Nachteilen wie weniger Platz in den Zügen, Verspätungen und womöglich Zugausfällen rechnen müssen. Ihre volle Leistungsfähigkeit soll die neue Anlage erst beim Start von Stuttgart 21 und der Neubaustrecke Stuttgart–Ulm zeigen – also in frühestens sieben Jahren.

In die neue Halle passen ganze Züge

Den Kern der Auffrischstation bildet eine 230 Meter lange Halle, in die ganze Züge einfahren können, um für den nächsten Einsatz startklar gemacht zu werden. Rund hundert Millionen Euro sind in den Neubau im Stadtteil Söflingen geflossen. Hier wird künftig der größten Teil jener Arbeiten durchgeführt, für das bisher in Stuttgart das Werk am Rosenstein zuständig war und das wegen Stuttgart 21 weichen muss. Der kleinere Teil der Service-Arbeiten wird in Zukunft in Tübingen erledigt. Im Herbst 2014 soll mit dem Bau der Tübinger Fiba auf dem Gelände des alten Bahnbetriebswerks begonnen werden.

Wie in Ulm wird der „Werkstatt-Komplex zur Ganzzug-Instandhaltung“ 230 Meter lang und bis zu 44 Meter breit sowie bis zu zwölf Meter hoch sein. In Tübingen schaut die Stadtverwaltung schon jetzt mit Sorge auf diesen größten Gebäudekomplex in diesem Abschnitt des Neckartals. Einfluss auf die Gestaltung des Baus können die Stadtväter nicht nehmen, wie der Gemeinderat bereits feststellen musste.

Die Züge fallen länger aus

Durch den Umzug nach Ulm ergeben sich Nachteile für die Reisenden. Und zwar weil viel Zeit vergeht, bis die Züge, die in Stuttgart nicht mehr gewartet werden können, nach einem komplizierten Plan den Weg in das neue Werk in Ulm-Söflingen hinter sich gebracht haben. Einleuchtende Folge: Die Wagen sind für eine längere Zeit als bisher nicht einsatzbereit. Das könnte durch zusätzliche Wagen kompensiert werden, doch die stellt die DB Region nicht zur Verfügung. Die andere und nun praktizierte Möglichkeit, die Züge werden verkürzt. Statt fünf Doppelstockwagen werden dann oft nur noch vier von einer Lok gezogen. Statt sechs Silberlingen werden nur noch fünf zu einem Zug gehören. Pendler in Osterburken, Gaildorf oder Aalen müssen wohl öfter mal mit einem Stehplatz vorlieb nehmen.

Weitere Unzulänglichkeiten der auf Jahre hinaus angelegten Übergangslösung könnten den Eisenbahnalltag weiter erschweren, meinen Kenner der Branche. Dazu gehört, dass die Züge das neue Bahnbetriebswerk im Hauptbahnhof Ulm nur über Gleis 8 direkt ansteuern können. Steht ein Zug auf einem anderen Gleis, muss er bis nach Neu-Ulm fahren, um von dort aus im Hauptbahnhof Gleis 8 zu erreichen. Das soll zu einer Verzögerung von 45 Minuten führen. Selbst Zugausfälle werden von Experten nicht mehr ausgeschlossen. Abhilfe würde ein Umbau der Weichen im Ulmer Hauptbahnhof bringen. Dann wäre das neue Werk auch über die Gleise 6 und 7 erreichbar. Doch nach Informationen der Stuttgarter Zeitung steht für diesen Weichenumbau offenbar noch nicht einmal ein Termin fest.

Keine Diesel-Abgase in der Wartungshalle

Überraschung hat bei den Insidern eine Anweisung der Eisenbahn-Unfallkasse ausgelöst, die die Gesundheit von Arbeitern oder Reinigungspersonal berührt. Trotz moderner Entlüftungsanlagen sollen Dieselloks und Dieseltriebwagen wegen ihrer Abgase nicht mehr aus eigener Kraft in die Hallen fahren dürfen. Also müssen sie von E-Loks in die Halle geschoben werden. So droht ein weiterer Zeitverlust. Dazu kommt, dass auf dem nur wenige Kilometer langen Weg vom Ulmer Hauptbahnhof zum neuen Wartungs- und Instandsetzungswerk Vorsignale fehlen. Auch dadurch wird weitere Zeit verloren gehen.

Fazit: das Fiba mag modernen Ansprüchen genügen, doch die Bedingungen vor Ort passen noch nicht dazu. Erst wenn neue Weichen und Signale eingebaut sind und Stellwerke aufgerüstet sind, darf der Fahrgast darauf hoffen, dass verkürzte Züge die geringsten Übel bleiben. Mit der Einweihung von Stuttgart 21 samt Neubaustrecke soll alles besser werden.