Die SPD verliert bei der fünften Regionalwahl in Folge Stimmen – sie liegt jetzt nur noch bei 17,1 Prozent und hat sogar ihren Status als zweitstärkste Fraktion verloren. Die CDU ist klar der Platzhirsch und darf sich über doppelt so viele Sitze wie die Grünen als neue zweite Kraft freuen.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - Es war schon nach Mitternacht in der Wahlnacht, als Harald Raß, der Chef der SPD-Fraktion im Regionalparlament, bei der Wahlparty in der Alten Kanzlei in Stuttgart eine weitere Hiobsbotschaft überbracht bekam. Die SPD hatte nicht nur bei der fünften Regionalwahl nacheinander Stimmen verloren, sie hatte nicht nur wegen der Verkleinerung des Parlaments zwei Sitze statt eines Mandats abgeben müssen, nein, jetzt verlor sie auch noch haarscharf ihren Status als zweitstärkste Kraft. Die Grünen gewannen regionsweit 116 109 Stimmen und damit genau 89 Stimmen mehr als die SPD.

 

Für eine größere Ansicht, klicken Sie auf die Grafik.

„Das hat mich schwer getroffen“, räumt Harald Raß unumwunden ein. Für ihn war tatsächlich eine Geisterstunde angebrochen. Nicht nur psychologisch sei dieser Verlust schmerzlich, analysiert Raß am nächsten Morgen wieder rational, sondern das habe reale Auswirkungen: So stellen die Grünen künftig den ersten Stellvertreter des Regionalpräsidenten. Das kratzt am Selbstbewusstsein der Traditionspartei.

Eine Erklärung, warum die SPD seit 1994 permanent von 24,3 Prozent auf jetzt 17,1 Prozent abgesackt ist, hat Harald Raß nur bedingt. Auch wenn Stuttgart 21 im jetzigen Wahlkampf kaum noch eine Rolle gespielt habe, so präge die frühere Auseinandersetzung wohl noch immer das – aus Raß’ Sicht ungerechtfertigte – Bild der SPD als einer Partei, die unentschlossen zwischen Baum und Borke sitze. Und er übt verhalten Kritik an der Stuttgarter SPD, die zu wenige Stimmen in der Regionalwahl bringe und das Ergebnis nach unten ziehe.

Mit 89 Stimmen ziehen die Grünen an der SPD vorbei

Die Fraktionschefin der Grünen, Ingrid Grischtschenko, freut sich natürlich über den leichten Zugewinn ihrer Partei und über die neue Rolle der Nummer zwei im Parlament. Für sie sei aber viel wichtiger, dass jene Kräfte, die „die Region ausbremsen wollen, jetzt selbst ausgebremst wurden“ – damit meint sie vor allem die Freien Wähler (minus 2,2 Prozentpunkte) und die FDP (minus 5,5 Prozentpunkte). Diese verträten meist nur die Interessen der Kommunen, und sie hielten im Grund den Verband Region Stuttgart für überflüssig.

Andreas Hesky, OB von Waiblingen und Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler, sieht dies naturgemäß anders. Man könne sich umgekehrt fragen, ob die Freien Wähler zuletzt nicht zu regionsfreundlich gewesen und deshalb vom Wähler nicht mehr so intensiv mit Stimmen bedacht worden seien. Dass der Regionalverband nur Aufgaben übernehmen soll, die die Kommunen nicht stemmen können, und dass sparsam mit Steuergeldern umgegangen werde, das seien die Grundprinzipien der Freien Wähler – wer wolle dagegen etwas haben? Hesky führt den Rückgang seiner Partei eher darauf zurück, dass so bekannte Personen wie Heinz Kälberer aus Vaihingen/Enz und Alfred Bachofer aus Nürtingen nicht mehr zur Wahl angetreten seien.

Die FDP müsse sich neu erfinden, meint ein Liberaler

Die FDP hat sich mehr als halbiert, kann aber einigermaßen mit ihrem Ergebnis leben – man habe nicht gegen den Bundestrend ankämpfen können, so der Fraktionschef Kai Buschmann. Doch er räumt ein, dass „die Marke FDP mittlerweile etwas verbrannt“ sei; es sei Zeit, die Partei neu zu erfinden. Auf regionaler Ebene setzt er sich deshalb dafür ein, künftig einzelne Kandidaten statt Listen zu wählen.

Klarer Wahlsieger ist die CDU, die 4,1 Prozentpunkte zugelegt hat und jetzt bei 35 Prozent der Stimmen liegt. Die CDU sei doppelt so groß wie die nächstgrößte Fraktion, sagt der Fraktionsvorsitzende Joachim Pfeiffer: „Das Ergebnis ist erfreulich, aber wir sind nicht übermütig.“ Da sich das Parlament von 91 auf 87 Regionalräte verkleinert, hat die CDU nur einen Sitz hinzu bekommen: „Und im Rems-Murr-Kreis, wo die CDU mehr als drei Prozentpunkte gewonnen hat, gibt es sogar einen Sitz weniger.“ So kurios kann Auszählung sein.