Am Sonntag finden in Russland Regionalwahlen statt. In der sibirischen Metropole Novosibirsk geht eine Koalition aus Kreml-Kritikern ins Rennen, die ein Modell fürs ganze Land werden könnte.

Korrespondenten: Inna Hartwich

Nowosibirsk - Das Meer. Swetlana Kawersina schaut aufs Wasser, der Wind peitscht ihr ins Gesicht. Unten am Ufer geht ein Vater mit seinem Sohn spazieren, das Kind klettert auf die Steinbrocken, in der Ferne angeln zwei Männer. Swetlana Kawersina ist oft hier, wie so viele der Einwohner des Nowosibirsker Stadtteils Rechte Tschomy, den hier jeder nur Schleuse nennt, wegen der Schleuse gleich um die Ecke. Sie läuft den kleinen Trampelpfad entlang, vorbei an der Kirche, zu den neunstöckigen Plattenbauten dahinter. Im Hof steht ein klappriges Tischchen, an dem ihr Mitarbeiter sitzt. „Unser Meer soll eingezäunt werden. Wir sind dagegen. Wollen Sie unterschreiben?“, fragt Michail die Passanten. Eine Frau winkt ab, ein Mann bleibt stehen. Eine andere Frau sagt: „Meine Unterschrift ist Ihnen sicher.“ Nowosibirsk hat kein Meer. Es geht um den Fluss Ob mit dem Wasserkraftwerk aus den 50er-Jahren, das den „Schleusianern“ ihr Naturparadies beschert. Einen kleinen Flecken nur, mit sandigem Boden, den Bäumen, die sie selbst gesetzt haben. Hier gibt es sonst nicht viel für die 16 000 Vorstadtbewohner. Die Wege sind aus bröckelndem Beton, zwei kleine Cafés haben geöffnet, die Busse ins Zentrum fahren nur unregelmäßig, und mit dem Auto dauert es meist mehr als eine Stunde in die Stadt. Der Stau.