Die Grünen können erstmals den Vorsitz in der Regionalversammlung übernehmen. Der Stuttgarter OB Fritz Kuhn steht für das Amt nicht zur Verfügung. Doch wer könnte es werden?

Stuttgart - Hebt er den Finger, oder sagt er ab? 14 Stunden ließ OB Fritz Kuhn (Grüne) die eigene Fraktion im Unklaren, dann erklärte er am Montagnachmittag, neben dem OB-Posten nicht auch noch das Amt des Regionalpräsidenten anzustreben. Die Grünen haben nach ihrem historischen Sieg in der Regionalwahl erstmals das Vorschlagsrecht.

 

Kuhn ist im Regionalverband Stellvertreter des langjährigen Präsidenten Thomas Bopp (CDU), dem Gesicht der Region. Bopp hatte sich auf eine Verlängerung eingestellt, seine Wiederkandidatur ist trotz der krachenden Wahlniederlage der Christdemokraten nicht völlig ausgeschlossen, wenngleich diese (21 Sitze), das Vorschlagsrecht der Grünen (22 Sitze) anerkennen. Bopp erklärte, dass die Grünen als Wahlsieger nun gefordert seien, mit den anderen Fraktionen ein Gesamtpaket zu schnüren, das dann im Einvernehmen beschlossen werden könne. Auch CDU-Fraktionschef Joachim Pfeiffer sagte: „Die stärkste Fraktion muss jetzt Gespräche führen und Vorschläge machen. Und das sind die Grünen.“

Es braucht eine Verständigung

Damit die Ökofraktion ihren Kandidaten durchbringt, braucht es angesichts eines Parlaments mit 88 Sitzen eine Verständigung, die über die CDU hinausreicht. Zwei weitere Fraktionen müssten überzeugt werden, heißt es bei den Grünen, man denkt an die Freien Wähler (12 Sitze) und die SPD (11 Sitze). Gespräche dazu soll es noch in dieser Woche geben. „Bis zur Sitzung des Ältestenrats am Mittwoch kommender Woche sollten wir so weit sein“, sagt Michael Lateier (Grüne). Er selbst nennt zwei Favoriten: „André Reichel wäre meine erste Wahl, aber auch Ingrid Grischtschenko wäre mehrheitsfähig und kann man diskutieren.“ Das Amt sei zeitfressend und könne sich auswachsen. „Bopp hat während einer Krankheitsphase zwei Jahre lang die Position des Regionaldirektors mit ausgefüllt und da keine schlechte Figur gemacht“, so Lateier anerkennend.

André Reichel (45) ist stellvertretender Fraktionschef der Grünen und im Hauptberuf Professor für International Management & Nachhaltigkeit in Stuttgart. „Das ist keine Aufgabe, die man nebenher macht“, sagt er. Die Grünen hätten „kein Interesse an Frontstellungen, deshalb werden wir hier nicht mit Hurrageschrei ins Rennen gehen. Wir wollen mit den anderen gut zusammenarbeiten“, so Reichel. Eine Kandidatur schließt er für sich nicht aus, verteilt aber gleich Lob an Grischtschenko: „Sie hat in den anderen Fraktionen Vertrauen und kann behutsam lenken.“ Das Ehrenamt des Regionalpräsidenten ist nicht übermäßig dotiert. Zu 790 Euro im Monat (seit 2014) kommen 90 Euro Sitzungsgeld, die Steuer geht ab.

Kuhn sagt ab

Die Absage Kuhns hält Reichel für richtig: „Es wäre ein Politikum, und es würde über die Dominanz von Stuttgart diskutiert, wenn er antreten würde.“ So sieht es im Grunde auch Kuhn selbst, der am frühen Nachmittag gegenüber unserer Zeitung erklärte, dass er nicht antreten werde. „Das ist nicht so sehr eine Zeitfrage, sondern eine danach, was für die Region und die Stadt Stuttgart gut ist“, sagte er. Ihm liege eine positive Entwicklung der Region am Herzen, deshalb habe er sich in den vergangenen Jahren behutsam eingebracht und versucht, die Zusammenarbeit zu stärken. „Das ist uns gelungen“, meinte er, „denn die Region hat einen neuen Aufschwung genommen.“ Diese Erfolge sieht er im Fall des Doppelamts gefährdet. „Wenn der Stuttgarter Oberbürgermeister Regionalpräsident ist, besteht die Gefahr, dass dies zu Divergenzen mit der Region führt“, sagte er. Stuttgart habe zwar eine Führungsrolle in der Zusammenarbeit mit den Städten und Gemeinden in der Region. „Das sollte man aber nicht übertreiben“, so Kuhn, der es deshalb prinzipiell für falsch hielte, wenn ein Stuttgarter Rathauschef auch das Spitzenamt in der Region Stuttgart übernehmen würde. Seiner Meinung nach seien die Ämter des Oberbürgermeisters und des Regionalpräsidenten zwar durchaus unter einen Hut zu bringen. Es sei aber klar, dass die Grünen aus dem Wahlsieg einen Führungsanspruch ableiteten.

Grünen wollen bescheiden bleiben

„Über Posten reden wir noch nicht“, sagte Fraktionschefin Grischtschenko. Man müsse sich zuerst intern beraten. Sie habe sich noch gar nicht richtig über den Wahlerfolg freuen können, weil „wir uns der großen Verantwortung bewusst sind“. Die Grünen wollten als stärkste politische Kraft in der Region „kraftvoll, bescheiden und gemeinschaftlich führen“, heißt es in einer Presseerklärung von Grischtschenko und ihren beiden Vize Irmela Neipp-Gereke und André Reichel. Die Wählerinnen und Wähler hätten ein „klares Zeichen für eine deutlich ambitioniertere Klimaschutzpolitik gesetzt“, so Grischtschenko: „Diesen Auftrag nehmen wir kraftvoll an.“ Gleichzeitig wolle man aber bescheiden bleiben und auf die anderen Parteien in der Regionalversammlung zugehen. Auch Reichel betonte, dass „uns Grünen klar ist, dass es der Region am besten geht, wenn die politisch Verantwortlichen im Interesse der Bürgerinnen und Bürger zusammenfinden“. Die Grüne wollten deshalb gemeinschaftlich führen. „Wir bieten allen demokratischen Parteien die Zusammenarbeit an“, sagte er.

Die anderen Fraktionen erklärten wie die CDU, dass sie nun darauf warteten, dass die Grünen auf sie zukommen.