Der Frankfurter Professor Jan Pieter Krahnen plädiert für eine Trennung riskanter Kapitalmarkttransaktionen vom klassischen Bankgeschäft. Zudem sollen die Gläubiger der Geldinstitute an den Kosten von Rettungsaktionen beteiligt werden.

Korrespondenten: Barbara Schäder (bsa)
Stuttgart -Jan Pieter Krahnen ist der einzige Deutsche in der EU-Expertengruppe, die vergangene Woche Vorschläge für eine Banken-Reform präsentierte. Sie treffen vor allem Geldhäuser mit Handelsaktivitäten im Volumen von mehr als 100 Milliarden Euro – dazu zählen Deutsche Bank und die Commerzbank, aber auch die Landesbank Baden-Württemberg.
Herr Krahnen, Ihre Expertengruppe fordert, dass große Kreditinstitute den Wertpapierhandel schärfer vom Einlagen- und Kreditgeschäft trennen. Was versprechen Sie sich davon?
Das Ziel besteht darin, die Handelsaktivitäten zu einer in sich abgeschlossenen Wirtschaftseinheit zu machen, die auf sich selbst gestelltes Kapital mobilisieren muss. Denn obwohl die Banken vor der Krise immer größere Summen im Handel eingesetzt haben, mussten sie die damit verbunden Risiken nicht wirklich bei der Refinanzierung entgelten – weil sie einen Zugriff auf Spareinlagen hatten und damit günstig an frisches Geld kamen. Mit der Abspaltung soll erreicht werden, dass die Finanzierungskosten die wirklichen Risiken widerspiegeln.

In der Finanzkrise haben sich Banken ohne Einlagen wie Lehman Brothers als besonders anfällig erwiesen. Ist eine Trennung vor diesem Hintergrund nicht riskant?
Nach Durchsicht aller Fälle, die wir in den vergangenen Jahren gesehen haben, können wir nicht sagen, dass eines der Geschäftsmodelle als besonders risikoarm oder als besonders riskant gelten kann. In Europa hat sich das Universalbankenmodell bewährt, es gibt also keinen Grund, hier einen Schnitt zu machen. Das Einzige, was wir sagen können, ist: Es gab einen exzessiven Anstieg der Handelsaktivitäten, und die können wir ein Stück weit eindämmen, indem wir das zu eigenständigen Geschäftseinheiten machen.

Ist für die Eindämmung des Handels denn eine Trennung notwendig? Könnte man für bestimmte Geschäfte nicht ein Zulassungsverfahren einführen oder sie ganz verbieten?
Die Idee, dass wir uns von Aufsichtsseite noch weiter in das Mikromanagement einer Bank begeben und einzelne Geschäfte als gut oder schlecht charakterisieren, haben wir schon frühzeitig verworfen. Man begibt sich sonst in einen ewigen Wettlauf mit der Industrie in der Produktentwicklung, den die Aufsicht nicht gewinnen kann.

Und wenn man riskante Geschäfte mit mehr Eigenkapital unterlegt?
Mehr Eigenkapital fordern wir auch. Wir glauben aber, dass die Abtrennung der Handelsgeschäfte dazukommen sollte. Denn sie löst nicht nur die Frage der Finanzierungskosten, sondern leistet gleichzeitig einen Beitrag zu einer vereinfachten Abwicklung von Bankenteilen. Eine abgetrennte Handelseinheit, ein Broker-Dealer im Fachjargon, wird schon so weit abgeschottet sein von anderen Unternehmensteilen, dass eine Abwicklung oder auch ein Verkauf in einer Krise sehr viel leichter möglich ist.

Dazu sagen Banker: Wenn man Ihren Vorschlag für die Deutsche Bank umsetzt, hat man am Ende zwei systemrelevante Teile, die nicht abgewickelt werden können.
Bei den Banken, für die unsere Abtrennungsregel überhaupt greift – das werden die zehn bis 30 größten Banken Europas sein – ist durchaus möglich, dass beide daraus entstehenden Institute starke und große Marktteilnehmer sind und damit Teil dessen, was man als systemisch relevante Institutionen bezeichnet. Dennoch ist eine Zerteilung eines systemisch relevanten Instituts in zwei ein Fortschritt, weil sie beide Einzelteile beherrschbarer macht. Um das Ansteckungsrisiko zu verringern, das bei der Abwicklung einer Bank für die gesamte Branche entsteht, haben wir einen zweiten Vorschlag vorgelegt. Ich weiß nicht, ob ich das erklären soll ...

Bitte.
Kreditinstitute sollen einen Teil ihres Refinanzierungsbedarfs künftig über eine neue Klasse von Schuldtiteln decken, im Report heißen sie Bail-inable Bonds. Das sind Schuldverschreibungen, bei deren Ausgabe bereits deutlich darauf hingewiesen wird, dass sie bei einer Krise als erste in Haftung genommen werden. Die Gläubiger müssten dann zur Stabilisierung der Bank auf einen Teil ihrer Ansprüche verzichten. In der Vergangenheit wurden die Inhaber von Bankanleihen von solchen Abschreibungen häufig verschont, weil die Schuldtitel vielfach in den Büchern anderer Geldhäuser lagen, die Aufsichtsbehörden also Folgekrisen im Bankensektor fürchten mussten. Deswegen dürfen nach unserem Vorschlag die neuen Bail-inable Bonds nicht von Banken gehalten werden.

Aber wer soll sie dann kaufen?
Institutionelle Investoren, reiche Individuen, spezialisierte Hegefonds und Staatsfonds. Die Attraktivität wird in einem vergleichsweise hohen Zins liegen. Das Volumen an Bail-inable Bonds, das die Banken emittieren müssen, sollte nach unseren Überlegungen etwa in der Höhe des heutigen Eigenkapitals liegen. Wenn Sie davon ausgehen, dass bei europäischen Banken die Eigenkapitalquote bezogen auf die Bilanzsumme im Schnitt bei fünf Prozent liegt, wären das noch einmal fünf Prozent der Bilanzsumme, die obendrauf kämen.

Auch dieser Vorschlag würde die Refinanzierung der Banken verteuern. Müssen wir damit rechnen, dass dadurch neben den umstrittenen Handelsgeschäften auch klassische Bankdienstleistungen teurer werden?
Die verbilligte Refinanzierung der Banken in der Vergangenheit ruht auf der Erwartung einer staatlichen Rettung. Wenn wir das abstellen können, müssen die Kosten hochgehen. Dann müssen wir ein steigendes Zinsniveau für die Realwirtschaft vermuten. Für die Verbraucher wird das auch gelten – alle Kreditnehmer werden höhere Zinsen zahlen müssen.